Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
oder Trauer.
Er registrierte alles mit geradezu naturwissenschaftlicher Exaktheit. Aber es ging ihn nichts mehr an.
Bald, so wusste er, würde dieser Sarg abgesenkt werden, und das Letzte, was er von dieser Welt mitbekommen würde, wäre das Knallen von Erdhaufen auf den Sargdeckel. Aber auch das interessierte ihn nicht weiter. Er wollte nur noch schlafen.
Da war ein Motorengeräusch, und dann ruckelte der Sarg im Fahrzeug.
Ich fahre, dachte Eike, zu meiner Beerdigung. Ist es nicht fast lächerlich, so zu sterben?
Dann war ihm, als würde er seine Freundin Rebekka seinen Namen rufen hören. Er sah sie ganz weit weg, daumengroß. Sie winkte, und sie rief: »Eike! Eike! Liebster!«
Werde ich gleich das Licht am Ende des Tunnels sehen?, fragte er sich. Gibt es einen Gott? Werde ich vor einem Gericht stehen? Muss ich mich für meine Taten rechtfertigen? Werden mich Engel holen? Oder werde ich einfach nur in diesem Sarg verfaulen und am Ende, wenn der Deckel vom Gewicht der daraufliegenden Erdmassen einbricht, selbst zu Erde werden?
Küppers’ Worte hallten durch seinen Kopf: »Asche zu Asche. Staub zu Staub.«
Kurz nachdem Ann Kathrin auf Wellers Drängen hin ein Beruhigungsmittel genommen hatte, war sie in seinen Armen eingeschlafen. Sie hatte den Mund offen, und es lief Speichel heraus.
Weller hob sie hoch, um sie ins Schlafzimmer zu tragen. Rupert öffnete ihm die Tür. Rieke fragte, ob sie helfen könne.
Weller legte Ann Kathrin aufs Bett. Er stellte ihre Schuhe neben das Nachttischschränkchen, legte ihr Handy darauf, damit sie es gleich griffbereit hatte, und zog ihr die Jeans aus, um es ihr ein bisschen bequemer zu machen. Dann deckte er sie zu. Er saß noch ein paar Minuten neben ihr und streichelte ihre Wange. Dann ging er zurück zu den anderen ins Wohnzimmer.
Ungefragt übernahm er die Leitung. »Ich will alles über diesen Bernd Küppers herausfinden, was es nur gibt. Mit wem hat er die letzten paar Tage verbracht? Mit wem schläft er, mit wem hat er Probleme? Ich will alles, alles über ihn wissen. Die Zeit läuft uns weg, Leute!«
Sylvia Hoppe saß spinnenhaft mit den Füßen auf dem Stuhl, auf den Knien ein Tablet, am Ohr ihr Handy. Sie nickte Weller zu: »Wir sind mittendrin. Ich habe schon mit einer seiner Verflossenen telefoniert. Sie sagt, er sei ein sadistisches Schwein. Impulsiv und …«
Schrader begann, etwas vorzulesen, das er im Internet gefunden hatte:
»Der bekannte Filmproducer Bernd K. (Name der Redaktion bekannt) wurde vom Landgericht Hannover in zweiter Instanz wegen Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Seine ehemalige Geliebte, die Filmschauspielerin Doris J., um die es in letzter Zeit sehr still geworden ist, behauptet, von ihm gefesselt und mit einem Messer traktiert worden zu sein. Bernd K. blieb bei seiner Aussage, dies sei in gegenseitigem Einvernehmen geschehen.«
Sylvia Hoppe sagte: »Wenn wir alle seine Ex-Freundinnen sprechen wollen, müssen wir zusätzliches Personal einstellen. Dieser Mann muss einen unglaublichen Frauenverschleiß gehabt haben …«
Das bestätigte nur Ruperts Vorurteile Filmleuten gegenüber: »Klar. Warum macht einer so einen Job? Weil er da die tollsten Frauen kriegt und am meisten Kohle verdient. Ganz im Gegensatz zu uns hier …«
Rieke wies ihn mit einem einzigen Blick zurecht, ganz so, wie Ann Kathrin es sonst tat, und Rupert hätte sie fast mit »Ann« angesprochen. »Ist ja schon gut«, sagte er in ihre Richtung und schluckte dann gerade noch die Silbe »Ann« runter.
»Seine Exfrauen sind alle nicht besonders gut auf ihn zu sprechen«, sagte Sylvia Hoppe.
»Vielleicht liegt es auch daran, dass du jetzt, mitten in der Nacht, anrufst«, gab Schrader zu bedenken.
»Guck mal auf die Uhr!«, forderte Rieke. »Die Frauen sind alle berufstätig. Die frühstücken im Moment, braten ihren Kindern Spiegeleier oder … Mein Gott«, fuhr sie fast erschrocken fort, »es ist gleich neun Uhr. Für halb zehn ist in Aurich eine Lagebesprechung mit anschließender Pressekonferenz geplant. Wie verhalten wir uns da, Leute? Was machen wir? Wir können nicht einfach hier im Wohnzimmer unser Hauptquartier errichten und uns völlig von der Dienststelle abkoppeln …«
Holger Bloem erhob sich und bog seinen Rücken durch. »Ich sollte inzwischen auch in der Redaktion sein«, sagte er. Er zeigte mit dem Finger auf Weller wie mit einer Schusswaffe. »Wir bleiben in Kontakt.«
»Aber so was von«, antwortete
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