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Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer

Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer

Titel: Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Es gibt noch ein paar Leute, die an den Fleischerhaken gehören. Der große Umschlag ist für Holger Bloem. Er möchte gerne die Hintergründe meines Handelns erforschen. Mit dem Tagebuch meiner Tochter wird es ihm nicht schwerfallen. Ich erwarte eine faire Berichterstattung.
    »Scheiße«, fluchte Ann Kathrin, »so eine gottverdammte Scheiße!«

    Völlig übermüdet saß Holger Bloem in Ann Kathrins Wohnzimmer und las, was hier in kindlicher Handschrift notiert worden war. Es war nur eine Kopie, aber Seite für Seite sauber hergestellt und eingebunden zwischen bunten Pappdeckeln.
    Weller notierte alle Namen, die im Manuskript vorkamen, denn sie hofften, so noch eine Person warnen zu können, bevor Küppers dort auftauchen konnte.
    Ann Kathrin weinte, und Weller hielt sie.
    »Wir haben versagt«, schluchzte sie, »und jetzt kann er überall sein. Er verspottet uns. Er kennt unsere Schritte im Voraus. Er weiß auch genau, was wir jetzt machen.«
    »Du meinst, das Buch gibt uns gar keine Hinweise auf die weiteren Personen?«
    »Doch«, sagte Ann Kathrin, »aber es sind ja nur Vornamen. Und sieh mal hier, und da, da sind Dinge geschwärzt. Deswegen haben wir nur die Kopie. Der ist nicht blöd. Der weidet sich an unserer Angst und unserer Unterlegenheit.«
    »Hört euch das mal an«, sagte Holger Bloem und las vor: »
Ich kann nicht verstehen, warum Yogi diesen Film machen will. Er hat mir das Drehbuch zu lesen gegeben. Vielleicht war das der entscheidende Knackpunkt zwischen uns. Danach ist es nie mehr so geworden, wie es war.
    Zunächst habe ich das Buch nur abgelehnt. Ich habe ihn angeschrien: Warum schreibst du so einen Blödsinn? Das ist reine Effekthascherei mit ekelhaften Folterszenen! Aber dann gewann dieses Buch immer mehr Macht über mich.
    Er behauptete, das alles sei doch nur ein Film, und verstand gar nicht, warum ich mich so aufregte. Aber ich bekam diese Bilder nicht mehr aus dem Kopf und stellte mir vor, meine Peiniger zur Rechenschaft zu ziehen. Ja, immer wieder träumte ich davon, Willbrandt zu vierteilen, so wie es im Drehbuch ganz zu Anfang geschah, mit einem Typen, der sich einfach nur beim Bäcker in der Schlange vorgedrängelt hatte.
    Manchmal hat mir das Drehbuch richtig geholfen. Ich stellte mir dann vor, wie ich die Leute leiden lassen würde, die mich so verletzt hatten. Zum Beispiel Michaela. Ich stellte mir vor, wie es wäre, ihr das ständig plappernde Maul zuzukleben und sie am Stuhl festzupappen. Ihr die Haare zu schneiden und ihre Kleider in Fetzen zu reißen. So konnte ich ihr die Macht nehmen. Es war eine großartige Methode.
    Meine Mutter hat mir mal gesagt: Wenn dir die Sachen so nahegehen, Kind, dann stell dir einfach dein Gegenüber in Unterhosen vor, im Schnee. Das hilft.
    Aber es half nie.
    Dieses Drehbuch wurde zunehmend zu einem Zauberlexikon für mich. Gleichzeitig konnte ich es mit Yogi überhaupt nicht mehr aushalten. Wenn er mich nur berührte, war mir schon zum Schreien zumute. Am liebsten hätte ich ihn auch auf den Fakirstuhl gesetzt.
    Aber ich weiß, dass ich all das niemals tun werde. Es findet nur in meiner Phantasie statt und hilft mir, wieder Luft zu kriegen. In Wirklichkeit werde ich niemandem etwas zuleide tun, sondern meine Not beenden, indem ich aus dem Leben gehe.
    Dieser Gedanke hat etwas sehr Süßes für mich. Ich schwanke hin und her zwischen den Vorstellungen, die das Drehbuch mir gibt und der eigenen Phantasie, wie sie alle an meinem Grab stehen und weinen und mich bedauern und sich schuldig fühlen und genau wissen, dass sie es hätten verhindern können, aber eben nicht getan haben.
    Ihre größte Qual wird nicht sein, dass ich sie töte, sondern dass sie weiterleben müssen mit ihrer Schuld.«
    »Das«, sagte Ann Kathrin, »hat er gelesen und das Drehbuch als Handlungsanweisung genommen, um diesen Irrsinn Wirklichkeit werden zu lassen?«
    »Sieht ganz so aus«, sagte Holger Bloem.

    Bis jetzt hatte Eike gekämpft, Mut geschöpft, sich nicht aufgegeben und trotzdem an seine Rettung geglaubt. Jetzt, während er in der Kiste hin- und herrumpelte, weil sie über den Boden geschleift und über Stufen getragen wurde, spürte er rein gar nichts mehr. Und das erschreckte ihn.
    Da waren keine Schmerzen, keine Trauer. In ihm breitete sich ein großes Nichts aus.
    So muss es sein, dachte er, wenn man stirbt. Keine Gefühle. Nicht mal mehr Wut. Nur Gleichgültigkeit.
    Was geschieht, geschieht.
    Widerstand ist sinnlos.
    Glück existiert genauso wenig wie Schmerz

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