Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
grausige Entdeckung: Auf dem Toilettendeckel klebte noch eine dünne Pulverschicht.
»Äi, der Arsch hat alles durch den Lokus gespült, bevor er getürmt ist!« »Och nöö!«
»Doch, hier, guck mal!« Pille strich mit dem Zeigefinger über den Deckel und leckte ihn dann ab. »Koks. Rein wie deutsches Bier, als die Braukunst noch etwas zählte.«
Michi heulte fast vor Enttäuschung und sah aus, als hätte sein großer Bruder ihm mal wieder den Nachtisch weggegessen.
Pik langte in die Kloschüssel und versuchte, noch etwas zu erfingern.
»Mensch, der hat das Zeug ausgekippt«, sagte Michi.
»Dann müssten hier irgendwo die Tüten rumliegen. Der will sich das später wiederholen! Der spült doch nicht zigtausend Euro durchs Klo!«
Piks Arm verschwand im Rohr. Er kniete vor der Toilette und vollzog beim Koksangeln heftige Verrenkungen.
»Ich hab was! Ich hab was!«, kreischte er. Glücklich strahlend fischte er etwas aus dem Inneren des Abflussrohrs empor. Er war sich nicht sicher, um was es sich handelte. Es war schwierig zu ertasten. Es gab nach, war weich, krümelig und von einer Art Plastik umwickelt.
Dann hatte er achtzig Gramm Kokain an Land gezogen, verpackt in einen Gefrierbeutel.
Mit einem Badetuch trocknete er die Beute ab.
»Da ist garantiert noch mehr«, freute sich Pille. »Der hat kleine Portionen abgepackt.«
Aber Michi drängte zur Flucht. Die Polizeisirene vor der Tür, die immer hoch heulte, machte ihm Angst.
Sie nahmen den gleichen Weg wie vor ihnen Stevie und seine Freundin, die von allen liebevoll »Schneewittchen« genannt wurde. Durchs Küchenfenster auf die Garage und dann ein Sprung ins Gras.
Als die Einsatzkräfte die Wohnung stürmten, saßen die drei in der Eisdiele Dolomiti und genehmigten sich jeder ein Spaghetti-Eis und einen Espresso, wobei sie statt Zucker etwas anderes, das aber ähnlich aussah, in ihre Tässchen rührten. Sie fühlten sich großartig, als Gewinner, schlauer als die Polizei, gerissener als Stevie und sein Schneewittchen.
Auch Michi konnte jetzt Bäume ausreißen und fragte erneut, was aus dem Bullen im Krankenhaus werden sollte.
»Den holen wir uns jetzt!«, tönte Pik und verriet auch gleich, wie er es anstellen wollte.
Sie steckten die Köpfe zusammen. »Der wird garantiert bewacht. Der ist so ein hohes Tier, die werden immer bewacht. Da können wir nicht einfach mit einem Strauß Blumen reinmarschieren und …«
»Ich habe einen viel besseren Plan, Jungs …«
»Erst mal müssen wir weg aus Jever, bevor Stevie und seine Gang uns hier sehen«, schlug Michi vor. »Sonst nehmen die uns den Stoff noch ab.«
»Keiner nimmt uns etwas ab«, gibbelte Pille, »weil wir drei dagegen sind.« Dann hob er sein Hemd hoch und deutete auf die Waffe, die in seinem Hosenbund klemmte. »Smith. Wesson. Und ich.«
Er fand seinen Gag unglaublich gut und lachte lauthals darüber, aber Pik sah ihn zornig an, weil Pille ihm die Show gestohlen hatte.
Michi bemerkte die Missstimmung sofort, und weil er wusste, wie Pik ausflippen konnte, fragte er ihn brav: »Also los. Erzähl uns deinen Plan. Wie willst du es machen?«
Inzwischen war Ubbo Heide eingeschlafen, und Weller saß vor seiner Tür. Seine Frage nach Ubbos genauem Gesundheitszustand beantwortete der Chefarzt mit dem Hinweis darauf, Weller solle sich diesbezüglich an Herrn Heides Frau wenden.
Weller akzeptierte das sofort und schämte sich ein wenig, dass er so übergriffig gewesen war.
Keine zwanzig Meter entfernt von der Glastür zur Intensivstation saß der grippige Neuling der Norder Polizei, Schlüter. Er traute sich nicht, weiter in »Böser Wolf« zu lesen, obwohl er gerade an einer spannenden Stelle war. Er versuchte, sein Niesen zu unterdrücken, wodurch es aber nur noch lauter wurde. Weller zuckte jedes Mal zusammen, weil es für ihn, durch die Glastür gedämpft, wie ein Schuss klang, der eine Etage tiefer fiel.
Ann Kathrin hatte die Bilder von Holger Bloem inzwischen weitergeleitet, und Weller sah sie sich auf seinem iPhone an. Er überlegte, wer ihm bekannt vorkam.
Schlüter schielte zu Weller und ärgerte sich, weil er nicht lesen durfte, während dieser Weller da, der sich so aufgemantelt hatte, mit seinem Handy spielte. Schlüter vermutete, dass Weller seine Facebookseite pflegte oder im Internet surfte, um sich die Zeit zu vertreiben.
In dem Moment kam ein Mann auf Schlüter zu, der vom Alter und Aussehen her in das von Weller angesprochene Täterprofil passte. Jung, hektischer Blick,
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