Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
den Mord?«
Weller zuckte mit den Schultern. »Möglich. Im Grunde sogar wahrscheinlich. Außerdem … selbst wenn der Mörder nicht Ihr Auftraggeber war, haben Sie ihn vielleicht gesehen, fotografiert … abgehört …«
Sie machte einen Schritt zurück. »Ich höre niemanden ab!«, protestierte sie. »Ich mache nur ganz legale Sachen.«
»Schade«, sagte Weller mit gespielter Empörung. »Ist Ihnen denn etwas Verdächtiges aufgefallen?«
»Na ja, jetzt, da er tot ist … Also, er war schon ein komischer Typ. Hat sich praktisch nur mit jungen Frauen umgeben. Er ist keiner klar identifizierbaren Arbeit nachgegangen. Ich könnte nicht sagen, woher das Geld kam, das er ausgab. Sein Café hat es ganz sicher nicht eingespielt. Auf mich wirkte das sowieso eher wie das Aushängeschild einer bürgerlichen Existenz. Das hat der sich von amerikanischen Gangstern abgeguckt. Man gründet irgendeinen Laden, ein Geschäft, kauft ein Restaurant, eine Kneipe, um so etwas wie eine legale Einnahmequelle zu haben. Einen Vorzeigejob. Die nennen sich dann schon mal ganz gern ›Geschäftsführer‹. So Läden finden Sie in jeder Großstadt. Selbst wenn die alles verkaufen würden, was bei ihnen im Regal und im Schaufenster steht, könnten sie davon nicht die Monatsmiete bezahlen und schon mal gar nicht die gestylten Tussen, die da die Regale putzen. Das ist alles nur Kulisse. Dort wird höchstens Geld gewaschen.«
Ann Kathrin las schon den Bericht, in dem ähnliche Vermutungen standen.
»Was glauben Sie«, fragte Ann Kathrin, »wovon er wirklich lebte?«
»Keine Ahnung. Ich habe ihn nicht mit Drogen dealen sehen. Der Verdacht lag ja zunächst nahe, aber dafür habe ich keine Anhaltspunkte gefunden. Der schickte auch keine Mädels auf den Strich, das habe ich ebenfalls gecheckt.«
»Sie wären als Kollegin eine Bereicherung für unsere Truppe«, sagte Ann Kathrin bei der Verabschiedung voller Respekt.
Draußen fragte sie Weller: »Ist dir etwas aufgefallen?«
Er antwortete nicht, sondern sah Ann Kathrin nur an.
Sie sagte auf dem Weg zum Auto, ohne ihre Schritte zu verlangsamen: »Angeblich braucht sie den Job so sehr und lebt als Freie völlig abhängig von den Aufträgen dieser Agentur. Aber die Wohnung ist verdammt teuer eingerichtet. Das Laufband. Der Fernseher. Die Klamotten …«
»Was für Klamotten? Sie hatte doch nur einen Bademantel an.«
»Im Eingangsbereich die Schuhe auf dem Boden. Escada. Etro. McQ. Kein Paar unter 300 Euro. Der Mantel an der Garderobe. Sly 010 – ich schätze, tausendfünfhundert bis zweitausend …«
»Wie? Für einen Mantel? Ich hab schon Autos gefahren, die waren halb so teuer.«
Ann Kathrin setzte sich hinters Steuer, doch bevor sie den Wagen anließ, streichelte sie über das Armaturenbrett und sprach mit dem Fahrzeug: »Bring uns jetzt nach Hause. Danach hast du auch Feierabend.«
Weller hatte sich längst daran gewöhnt, dass sie mit Autos, Kaffeeautomaten und Küchengeräten sprach. Er nahm es spielerisch auf: »Und – was haben dir die Schuhe und der Mantel verraten? Oder hat der Flachbildschirm dir etwas geflüstert?«
»Ja«, sagte Ann Kathrin ernst. »Irgendwoher muss das Geld ja kommen. Vielleicht hat sie ihr Wissen zu Geld gemacht.«
»Du glaubst, sie hat ihre Kunden erpresst?«
Ann Kathrin zuckte nur mit den Schultern.
»Vielleicht«, wendete Weller ein, »hat sie einfach nur reiche Eltern.«
»Nein. Warum sollte sie dann für die Agentur arbeiten? Außerdem, würdest du deinen Töchtern Geld für solche Schicki-Micki-Klamotten geben?«
»Nein«, sagte Weller, »ganz klar, nein. Aber ich bin auch ein unterbezahlter Kripomann.«
Im Grunde hatte Joachim Warfsmann damit gerechnet. Er hatte geschickt versucht, es zu verdrängen. Jetzt aber gestand er es sich ein: Er hatte es immer gewusst, dass Michaela ihn eines Tages verlassen würde. Das war plötzlich wie eine uralte Weisheit da – gefunden auf einer lang vergessenen Schriftrolle. Einmal wiederentdeckt und entziffert, gab es keinen Zweifel mehr: Die Weissagung stimmte.
Sie war nicht der Mensch, der die Auseinandersetzung suchte. Sie verdrückte sich einfach feige.
Er hatte in der Innenstadt im Schaufenster von Bücher Lübben Jens Lessenich gesehen. Er war sich inzwischen sicher. Der Typ gab einfach nicht auf.
War sie jetzt doch schwach geworden und hatte seinem Drängen und seinen pubertären Liebesschwüren nachgegeben?
Wie oft hatte dieser Möchtegernliebhaber ihr Blumen geschickt? Einer
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