Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
verheirateten Frau!
Joachim Warfsmann überprüfte sein Konto online. Nein, sie hatte es nicht geplündert. Wahrscheinlich hatte sie jeden Monat einfach ein bisschen mehr abgehoben und zurückgelegt. Das war für ihn doch gar nicht kontrollierbar, und so hatte es seine Mutter damals auch gemacht. Sie war heute noch stolz darauf, »diesen Idioten tröpfchenweise ausgeblutet« zu haben. Als sie ihn verließ, hatte sie bereits zweihunderttausend gebunkert.
Er war wütend auf sich selbst, weil er sich die ganze Zeit so abgerackert hatte. Er konnte nicht glauben, dass eine so tolle Frau ihn wirklich liebte. Er war es nicht gewöhnt, um seiner selbst willen geliebt zu werden, sondern er hatte Liebe nur als Belohnung für Leistung kennengelernt und sich folglich zu Höchstleistungen getrieben. Aber immer war, trotz Haus, Urlaubsreisen und Beförderung ein Loch in ihm geblieben. Darin lauerte das Gefühl, nicht liebenswert zu sein, wie ein hinterhältiges, gefräßiges Monster, und jetzt war es herausgesprungen und fraß sich durch seine Eingeweide.
Weil er durch seine Mutter erfahren hatte, wie kalt und berechnend auch scheinbar warmherzige Frauen sein konnten, vermutete er jetzt, dass Michaela Norderney mit der Fähre verlassen hatte. Bestenfalls. Oder sie räkelte sich mit diesem Jens auf einem Laken in einem Wellnesshotel.
Nein, sie würde ihre Sachen nicht abholen. Sich nicht nach ihrer Tochter erkundigen. Sie würde einfach wegbleiben. Das war ein Schachzug, um sich in den Mittelpunkt zu spielen. So erreichte sie, dass er sich Sorgen machte, Hoffnungen hegte, Leute anrief. Früher kam der Mann vom Zigarettenholen nicht mehr in die eheliche Wohnung zurück. Heute die Frau vom Joggen. Viel hatte sich nicht verändert.
Was sollte er der kleinen Emma erklären? Wie stand er jetzt vor ihr da? Und wie vor seinen Eltern?
Hatte Michaela herausbekommen, dass er mit seiner Kollegin … Es war wirklich nur dieses eine Mal gewesen, und sie konnte eigentlich keine Ahnung haben …
Dann schüttelte er all diese Gedanken von sich ab und rief die Polizei an. Aber er musste erfahren, dass eine Vermisstenmeldung nicht aufgenommen werden konnte, wenn eine erwachsene Person abends mal zu spät nach Hause kam.
Um in der Nordsee zu baden, sei es ja noch zu kalt, und ansonsten sei diese Insel ungefährlich, aber bei Spaziergängen am Strand könne man sich leicht in der Zeit verschätzen, sagte Marion Wolters, die Dienst in der Telefonzentrale in Aurich hatte. Joachim Warfsmann solle sich entspannen, und schließlich sei ja Urlaubszeit. Die meisten kämen am anderen Morgen mit einem Kater und einem schlechten Gewissen zurück. Urlaub sei ja auch Scheidungszeit, ähnlich wie Weihnachten würden dann oft die Konflikte aufbrechen, wenn man plötzlich so viel aufeinanderhocken musste, hatte Wolters ihm erklärt.
Also doch, dachte er resigniert und klickte das Gespräch weg. Die kennen das. Ich bin kein Einzelfall.
Dann rief er verschiedene Hotels an und fragte, ob er Jens Lessenich sprechen könnte. Aber er wurde nirgendwo fündig. Vermutlich, dachte er voller Zorn, hat der eine einsame Ferienwohnung, damit niemand die beiden hört, falls es beim Liebesspiel zu laut wird.
Jetzt stand Emma im Schlafanzug und mit Schlafbäckchen vor ihm und fragte: »Wo ist Mama?«
Natürlich, dachte er grimmig. Es klappt. Sie ist weg, und alles dreht sich nur noch um sie. Herzlichen Glückwunsch, Michaela! Nach der Scheidung heirate ich nie wieder. So einen Fehler machen nur Trottel zweimal.
Dann zog er Emma auf seinen Schoß und hielt sie fest wie ein Faustpfand.
Irgendwann, dachte er, wirst du sie vermissen, und deine Mutterseele quält dich. Aber ich werde dafür sorgen, dass du sie nicht zurückbekommst. Da müsstest du schon über deinen Schatten springen und zu Kreuze kriechen.
Um mit der ganzen Situation fertig zu werden, hatte Rupert sich erstmal zwei doppelte Whiskey eingegossen. In einem Glas. Damit brachte er zwischen sich und der Welt kleine Stoßdämpfer an.
Seine Frau Beate hatte auf die Fotos heftig reagiert und war mit den Worten »endgültig die Schnauze voll« und »hab mich lange genug für dich zum Affen gemacht« ausgezogen. Das heißt, sie hatte das Haus mit einem Koffer verlassen und war angeblich unterwegs zu ihrer Mutter.
Rupert konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass es angenehmer war, bei seiner Schwiegermutter zu wohnen, als mit ihm das Bett zu teilen, aber da die Welt um ihn herum verrückt geworden
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