Ann Pearlman
Kalifornien, es gab nicht so viele Blumen wie sonst, nur ein paar schwächliche Fleißige Lieschen. Wir waren am Strand gelaufen, wo der Wind uns kühlte, und jetzt wanderten wir durch einen Yachthafen, in dem sich der wolkenlose Himmel und ein paar Palmen spiegelten.
»Wir können sie uns teilen. Du kannst jederzeit rüberkommen und dein Babybedürfnis befriedigen.«
»Ich werde dich einholen. In ein paar Monaten wirken die neuen Medikamente, und dann schieben wir beim Joggen beide einen Kinderwagen vor uns her.« Ich dachte: Taras Baby ist sechs Monate älter als Rachel, vielleicht wird Mias Baby sechs Monate jünger als Rachel. Ich mag Symmetrie. Seither sind über zwei Jahre vergangen.
Und alles kam ganz anders.
Vor einer Woche ist Rachel zum ersten Mal in ein Schwimmbecken gehüpft, und ich griff zum Telefon, um Mia anzurufen.
Dann fiel mir wieder ein, dass sie tot ist, und ich ließ den Arm sinken. Einmal habe ich einer Frau in Nordstrom-Schuhen »Mia!« nachgerufen. Dann wurde ich knallrot und schämte mich.
Ich vermisse sie, ganz egoistisch. Ich vermisse sie, weil sie nicht mehr für mich da ist.
Aber hauptsächlich vermisse ich sie einfach. Es ist, als würde ich an ihrer Stelle ihr Leben vermissen. Wenn ich versuche, das zu erklären, starrt selbst Troy mich verständnislos an. Ich stelle mir vor, dass Mia darüber, dass sie den Rest ihres Lebens nicht mehr leben kann, genauso traurig wäre wie ich jetzt. Aber das weiß sie ja nicht. Sie weiß ja nicht einmal, dass sie gestorben ist. Ich trauere um Mia, als wäre ich Mia, die um ihr eigenes Leben trauert. Kann man es so verstehen? Ich trauere um die Jahre, die sie nicht mehr mit Marc verbringen kann, um die ungeborenen Babys, um die faszinierenden Fälle, die sie niemals mehr vor Gericht vertreten kann, um die tollen Bücher, die sie nie gelesen hat, um das köstliche Essen, das sie nie gekostet hat, um die Orte, die sie nie zu Gesicht bekommen wird, um die Liebe, die ihr entgeht. Um all das trauere ich.
Meine Gedanken wandern umher und kehren immer wieder hierher zurück. Wie unfair es ist.
4 Uhr 45.
Und dann schlafe ich wieder ein.
»Mommymommymommymommy«, ruft Rachel.
6 Uhr 01.
Rachel streckt mir die Arme entgegen, damit ich sie hochnehme, sie hopst in ihrem Bettchen auf und ab und lacht mit weit geöffnetem Mund, als sie mich sieht. Als ich ihren Duft einatme, steigt mir ihre süße Babywärme in die Nase. Ihre seidigen, feinen Haare kitzeln meine Wange.
Ich drücke sie an mich, so fest, als könnte ich eine Extraportion Leben in sie hineindrücken und sie vor allem Unglück bewahren.
»Ich liebe dich, Mommy«, sagt sie. »Granola essen?«
»Klar. Mit Kirschen und Walnüssen.«
»Yippppiiiiiie!«
Ich stelle sie auf ihre Wickelkommode und knöpfe ihren Pyjama zwischen den Beinen auf. »Meinst du, du bist jetzt alt genug für die Große-Mädchen-Hose? Wie Mommy eine anhat? Willst du das mal ausprobieren?«
»Wie Mommy?«
»Ja, genau wie Mommy.« Wir haben uns auf diesen Tag vorbereitet, und Rachel war inzwischen auch schon ein paarmal auf dem Töpfchen.
»Ja.« Sie macht große Augen, und ich hole die Hose aus dem Regalfach, wo sie bereits wartet, ziehe sie Rachel an und hebe sie von der Wickelkommode.
»Okay. Dann zeig mal, wie man sie runterzieht.« Natürlich weiß ich, dass sie es kann, und sie tut es prompt und mühelos.
»Schau, Mommy, kein Problem.«
»Okay. Wenn du aufs Töpfchen musst, sagst du Mommy Bescheid, dann helfe ich dir. Oder du kannst auch ganz alleine gehen.«
»Jetzt essen?«
Wenn sie aufwacht, ist sie immer halb verhungert. Ich nehme ihr Töpfchen mit ins Esszimmer. Rachel hält sich am Geländer fest und steigt, einen Fuß pro Stufe, die Treppe hinab. Dass sie ins Schwimmbecken gesprungen ist, in meine ausgebreiteten Arme, ist eher untypisch für sie, denn normalerweise ist sie ausgesprochen vorsichtig.
»Du bist meine kleine Meerjungfrau«, habe ich lachend gerufen.
Das Granola mache ich selbst, röste Haferflocken mit Leinsamen, Weizenkeimen und Sonnenblumenkernen, beträufle alles mit Honig oder Ahornsirup, streue Zimt darüber und mische etwas Wasser bei. Manchmal gebe ich Mandelextrakt dazu, manchmal Vanille. Dann röste ich die Mischung vierzig Minuten, wobei ich etwa alle zehn Minuten umrühre. Bevor ich das Granola esse, kommen noch Trockenfrüchte und Nüsse hinein. In Rachels Schüssel gebe ich gehackte Walnüsse und Kirschen und zum Schluss etwas Milch. Auf meine Portion streue ich klein
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