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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Güter Wronskis,
    Swijaschskis, Kosnüschews, Oblonskis und ein kleiner Teil des Besitztums Ljewins lagen.
    Diese Wahlen zogen wegen vieler Umstände und wegen der daran beteiligten Persönlichkeiten die allgemeine
    Aufmerksamkeit auf sich. Es wurde von ihnen viel gesprochen, und man traf dazu mancherlei Vorbereitungen.
    Eingesessene des Gouvernements, die in Moskau, in Petersburg und im Auslande wohnten und sich sonst nie an den
    Wahlen beteiligt hatten, kamen diesmal herbeigereist.
    Wronski hatte schon lange vorher Swijaschski das Versprechen gegeben, zu den Wahlen zu fahren.
    Vor den Wahlen kam Swijaschski, der überhaupt häufig in Wosdwischenskoje zu Besuch war, zu Wronski, um ihn
    abzuholen.
    Am Tage vorher wäre es zwischen Wronski und Anna wegen dieser beabsichtigten Reise beinahe zu einem Streite
    gekommen. Es war der langweiligste, verdrießlichste Teil der Herbstzeit auf dem Lande, und so erklärte denn
    Wronski, auf einen Kampf gefaßt, ihr in einem strengen, kalten Tone, wie er ihn noch nie vorher Anna gegenüber
    angewendet hatte, daß er am nächsten Tage abreisen werde. Aber zu seiner Verwunderung nahm Anna diese Nachricht
    sehr ruhig auf und fragte nur, wann er zurückkommen werde. Er blickte sie forschend an, da ihm ihre Ruhe
    unverständlich war. Sie erwiderte seinen Blick mit einem Lächeln. Er kannte an ihr diese Fähigkeit, sich in ihr
    Inneres zurückzuziehen, und wußte, daß sie das nur dann tat, wenn sie sich im stillen zu etwas entschlossen hatte
    und ihm ihre Pläne nicht mitteilen wollte. Er fürchtete, daß es auch diesmal so wäre; aber es lag ihm so sehr
    daran, einer Szene zu entgehen, daß er sich stellte, als sei er davon überzeugt, daß sie die Sache verständig
    auffasse; und zum Teil glaubte er das, was er wünschte, auch wirklich.
    »Du wirst dich hoffentlich nicht langweilen?«
    »Ich hoffe, nein«, erwiderte Anna. »Ich habe gestern eine Kiste Bücher von Gautier bekommen. Nein, ich werde
    mich schon nicht langweilen.«
    ›Wenn sie diesen Ton annehmen will, nun, um so besser‹, dachte er. ›Sonst wäre es ja doch immer wieder die alte
    Leier.‹
    So reiste er denn, ohne sie zu einer offenen Aussprache veranlaßt zu haben, zu den Wahlen. Es war dies, seit sie
    einander näher kannten, das erstemal, daß er sich von ihr trennte, ohne sich vollständig mit ihr ausgesprochen zu
    haben. Einerseits beunruhigte ihn dies, anderseits fand er, daß es so schließlich doch besser sei. ›Die ersten Male
    wird sie, so wie diesmal, die Empfindung haben, daß es zwischen uns an Klarheit und Offenheit fehlt; aber nachher
    wird sie sich schon daran gewöhnen. Jedenfalls kann ich alles um ihretwillen aufgeben, alles, aber nicht meine
    männliche Unabhängigkeit‹, dachte er.

26
    Im September war Ljewin wegen Kittys bevorstehender Entbindung nach Moskau übergesiedelt. Er hatte schon einen
    ganzen Monat ohne Beschäftigung in Moskau zugebracht, als Sergei Iwanowitsch, der ein Gut im Gouvernement Kaschin
    besaß, sich anschickte, zu den Wahlen zu fahren, die ihm sehr am Herzen lagen. Er forderte auch seinen Bruder zum
    Mitkommen auf, der wegen seines im Kreise Selesnjew gelegenen Besitzes wahlberechtigt war. Außerdem hatte Ljewin in
    Kaschin für seine im Auslande lebende Schwester zwei höchst wichtige Angelegenheiten zu erledigen, bei denen es
    sich um eine Vormundschaftssache und um den Empfang von Einstandsgeldern handelte.
    Ljewin war immer noch unentschlossen; aber Kitty, der es nicht entgangen war, daß er sich in Moskau langweilte,
    und die ihm von vornherein zugeredet hatte hinzufahren, hatte ihm ohne sein Wissen eine Adelsuniform machen lassen,
    die achtzig Rubel kostete. Und diese für die Uniform ausgegebenen achtzig Rubel wurden nun der Hauptgrund, der
    Ljewin zu der Reise bewog. Er fuhr nach Kaschin.
    Er war nun schon seit sechs Tagen in Kaschin, besuchte täglich die Versammlungen und bemühte sich in den
    Angelegenheiten seiner Schwester, die durchaus nicht in Ordnung kommen wollten. Die Adelsmarschälle waren sämtlich
    durch die Wahlen in Anspruch genommen, und es war schlechterdings unmöglich, die Erledigung der sehr einfachen
    Angelegenheit zu erreichen, die vom Vormundschaftsamte abhing. Die andere Angelegenheit, der Empfang einer
    Geldsumme, stieß gleichfalls auf Hindernisse. Nachdem lange Bemühungen um die Aufhebung der Zwangsverwaltung
    vorausgegangen waren, sollte nun eigentlich das Geld zur Abholung bereit sein; aber der Rechtsbeistand, ein

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