Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)
Ljewin und schleuderte sie zur Seite.
Sowohl Ljewin wie dem jungen Burschen hinter ihm fielen solche Veränderungen der Bewegungen schwer. Sie befanden sich beide, nachdem sie sich einmal in eine bestimmte kräftige Bewegung eingearbeitet hatten, in einer Art von Arbeitswut und waren nicht imstande, die Bewegung zu verändern und gleichzeitig auch noch zu beobachten, was vor ihnen war.
Ljewin merkte gar nicht, wie die Zeit verging. Hätte ihn jemand gefragt, wie lange er schon gemäht habe, so würde er gesagt haben: eine halbe Stunde; und doch rückte die Mittagszeit schon heran. Als sie die Reihe zurückgingen, um eine neue anzufangen, lenkte der Alte Ljewins Aufmerksamkeit auf eine Menge kleiner Mädchen und Knaben, die von verschiedenen Seiten her, kaum sichtbar, durch das hohe Gras und auf dem Wege nach den Mähern hinstrebten und Bündel mit Brot sowie oben mit Lappen verstopfte Krüge mit Kwaß schleppten, so daß die Last ihnen die schwachen Ärmchen herunterzog.
»Sieh mal, da kommen die Käferchen angekrochen!« sagte er, indem er auf sie hinzeigte, und blickte, die Augen mit der Hand beschützend, nach der Sonne.
Sie erledigten noch zwei Reihen dann blieb der Alte stehen.
»Na, Herr, jetzt kommt das Mittagessen!« sagte er in entschiedenem Tone. Und sobald die Mäher beim Flusse angelangt waren, begaben sie sich über die Schwaden hinweg zu ihren Röcken, wo die Kinder, die das Mittagessen gebracht hatten, saßen und auf sie warteten. Die Bauern setzten sich zusammen, die von weiter her gekommen in den Schatten ihrer Wagen, die aus der Nähe stammenden unter Weidengebüsch, über das sie Gras geworfen hatten.
Ljewin setzte sich zu ihnen; er hatte keine Lust wegzureiten.
Alle Befangenheit vor dem Herrn war schon längst verschwunden. Die Bauern schickten sich an, ihre Mahlzeit einzunehmen. Manche wuschen sich; von den jüngeren Männern badeten einige im Flusse; andere machten sich ihr Ruheplätzchen zurecht, banden die Brotbündel auf und öffneten die Krüge mit Kwaß. Der Alte brockte Brot in eine Schüssel mit Wasser, zerdrückte es mit dem Löffelstiel, goß noch Wasser aus dem Wetzsteinköcher hinzu, schnitt noch etwas Brot hinein und streute Salz dazu; dann wandte er sich nach Osten, um zu beten.
»Nun, wie ist's, Herr? Willst du meine Brotsuppe kosten?« fragte er und ließ sich vor seiner Schüssel auf die Knie nieder.
Die Brotsuppe war so schmackhaft, daß Ljewin seine Absicht, nach Hause zu reiten, um dort zu Mittag zu essen, aufgab. Er aß mit dem Alten zusammen und unterhielt sich mit ihm über dessen häusliche Angelegenheiten, die sein lebhaftes Interesse erregten; auch teilte er von seinen eigenen Angelegenheiten dem Alten allerlei mit, was diesen interessieren konnte. Er fühlte sich ihm näher als seinem Bruder, und die Zuneigung, die er gegen diesen Menschen empfand, rief auf seinem Gesicht unwillkürlich ein freundliches Lächeln hervor. Als der Alte dann wieder aufstand, sein Gebet verrichtete und sich gleich an derselben Stelle unter dem Busche niederlegte, wobei er einen Haufen Gras als Kopfkissen benutzte, da legte sich Ljewin gleichfalls hin, und trotz der lästigen Fliegen und Käfer, die bei dem hellen Sonnenschein besonders zudringlich waren und ihn an dem schweißbedeckten Gesicht und am übrigen Körper kitzelten, schlief er sofort ein und erwachte erst, als die Sonne nach der anderen Seite des Busches herumgegangen war und ihn mit ihren Strahlen traf. Der Alte schlief schon längst nicht mehr; er saß aufrecht da und dengelte die Sensen der jüngeren Leute.
Ljewin blickte rings um sich und erkannte den Ort gar nicht wieder; so sehr hatte sich alles verändert. Die gewaltige Fläche der Wiese war abgemäht und schimmerte mit ihren bereits stark duftenden Schwaden geschnittenen Grases, von den schrägen Strahlen der Abendsonne beleuchtet, in einem eigentümlichen neuen Glanze. Die durch das Mähen freigelegten Büsche am Flusse und der Fluß selbst, der vorher nicht sichtbar gewesen war, aber jetzt wie Stahl in seinen Krümmungen glänzte, und die Mäher, die sich wieder regten und aufstanden, und die steile Graswand an dem noch nicht gemähten Teile der Wiese, und die Habichte, die über der kahlen Wiese kreisten: alles das bot ein ganz neues Bild dar. Als Ljewin seine Gedanken wieder gesammelt hatte, begann er zu überlegen, wieviel bereits gemäht sei und wieviel an diesem Tage noch geschafft werden könne.
Die geleistete
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