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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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Arbeit war für zweiundvierzig Mann außerordentlich groß. Die ganze große Wiese, an der früher zur Zeit der Fronarbeit dreißig Sensen zwei Tage lang gemäht hatten, war schon abgemäht; ungemäht waren nur die Ecken mit kurzen Reihen übrig. Aber Ljewin hatte den dringenden Wunsch, daß an diesem Tage möglichst viel gemäht werden möchte, und ärgerte sich über die Sonne, die sich so schnell hinabsenkte. Er verspürte keine Müdigkeit; er wünschte nur, daß noch recht schnell recht viel geschafft werden möchte.
     
    »Nun, wie denkst du darüber? Mähen wir noch die Maschkin-Höhe?« fragte er den Alten.
     
    »Wie Gott will; hoch steht die Sonne ja nicht mehr. Du gibst doch wohl den Leuten ein Schnäpschen?«
     
    Während des Vesperbrotes, als die Mäher sich wieder hingesetzt und die Raucher zu rauchen angefangen hatten, verkündete der Alte den Leuten: »Wenn die Maschkin-Höhe noch fertiggemäht wird, gibt's Schnaps.«
     
    »Nanu! Warum sollten wir die nicht fertigkriegen? Los, Tit! Das schaffen wir schnell! Essen können wir noch in der Nacht. Los!« riefen sie durcheinander, und während die Mäher noch ihr Brot zu Ende kauten, traten sie schon wieder an.
     
    »Na, Kinder, haltet euch dran!« rief Tit und mähte fast im Trabe als erster los.
     
    »Zu! Zu!« rief der Alte, der eilig hinter ihm herschritt und ihn mühelos einholte. »Nimm dich in acht, ich werde dich schneiden!«
     
    Jung und alt mähte um die Wette. Aber obgleich sie so eilten, verdarben sie doch das Gras nicht, und die Schwaden wurden ebenso sauber und ordentlich hingelegt wie vorher. Die letzte noch übrige Ecke wurde in fünf Minuten erledigt. Die letzten Mäher gingen noch in ihren Reihen, als die vordersten schon ihre Röcke über die Schultern nahmen und über den Weg hinüber nach der Maschkin-Höhe wanderten.
     
    Die Sonne senkte sich schon zu den Bäumen herab, als sie mit ihren klappernden Wetzsteinköchern in die kleine Waldschlucht bei der Maschkin-Höhe kamen. Das Gras reichte ihnen in der Mitte der Schlucht bis an den Gürtel; es war zart und weich und breithalmig, stellenweise im Walde bunt durchwachsen von Stiefmütterchen.
     
    Nach kurzer Beratung, ob man beim Mähen längs oder quer gehen solle, nahm Prochor Jermilin, gleichfalls ein berühmter Mäher, ein riesenhafter, schwarzhaariger Bauer, die Spitze. Er schritt eine Reihe ab, kehrte dann wieder um und mähte ein Stückchen rein, und nun ordneten sich alle hinter ihm in langer Linie; jeder ging zuerst in der Schlucht bergab und stieg dann drüben allmählich den Berg hinan bis an den Saum des Waldes. Die Sonne sank schon hinter den Wald hinab, und es fiel bereits Tau. Nur auf der Höhe waren die Mäher noch in der Sonne; unten hingegen, wo schon die Dünste aufstiegen, und auf der andern Seite gingen sie im frischen, tauigen Schatten. Es wurde mit Aufgebot aller Kraft gearbeitet.
     
    Das mit saftigem Tone abgehauene, würzig duftende Gras legte sich in hohen Schwaden nieder. Bei der Kürze der Reihen drängten sich die Mäher überall; die Wetzsteinköcher klapperten; die aufeinanderstoßenden Sensen klirrten; die Wetzsteine fuhren zischend an den Sensen hin; mit fröhlichen Zurufen trieben die Leute einander wechselseitig zur Eile an.
     
    Ljewin ging auch jetzt wieder zwischen dem jungen Burschen und dem Alten. Der Alte, der seine Schaffelljacke wieder angezogen hatte, war noch ebenso lustig, spaßliebend und leichtbeweglich wie vorher. Im Walde stießen sie fortwährend auf Birkenpilze, die in dem saftigen Grase üppig gewachsen waren und nun von den Sensen zerschnitten wurden. Aber der Alte bückte sich jedesmal, wenn er auf einen Pilz stieß, und schob ihn sich an der Brust unter das Hemd. »Den bringe ich meiner Alten auch noch mit«, sagte er dabei.
     
    So leicht es auch war, das feuchte, weiche Gras zu mähen, so schwierig war es, an den steilen Abhängen der Schlucht hinunter und hinauf zu steigen. Aber dem Alten machte das nichts aus. Immer gleichmäßig die Sense schwingend, stieg er in seinen großen Bastschuhen mit kleinen, festen Schritten langsam die steile Böschung hinan, und obgleich er am ganzen Leibe zitterte und die unter dem Hemde herabgerutschten Hosen schlotterten, ließ er doch auf seinem Wege keinen Grashalm ungemäht und keinen Pilz ungepflückt und machte mit den Bauern und mit Ljewin seine Späßchen ganz wie vorher. Ljewin ging hinter ihm und dachte oft, er werde sicher zu Fall kommen, da er mit der Sense einen Abhang

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