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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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Swijaschski angeboten hatte, zu holen. Swijaschskis Arbeitszimmer war von gewaltiger Ausdehnung und mit mehreren Bücherschränken sowie mit zwei Tischen ausgestattet, einem massiven Schreibtisch, der mitten im Zimmer stand, und einem runden Tische, auf dem sternförmig um die Lampe herum die neuesten Nummern von allerlei Zeitungen und Zeitschriften in verschiedenen Sprachen ausgebreitet lagen. Neben dem Schreibtische stand ein Ständer mit Schubkasten, an denen goldene Aufschriften den sehr verschiedenartigen Inhalt angaben.
     
    Swijaschski holte die Bücher hervor und setzte sich dann in einen Schaukelstuhl.
     
    »Was sehen Sie sich denn da an?« fragte er Ljewin, der bei dem runden Tische stehengeblieben war und in den Zeitschriften blätterte. »Ach ja, da ist ein sehr interessanter Artikel drin«, sagte er mit Bezug auf die Zeitschrift, die Ljewin gerade in der Hand hatte. »Es stellt sich heraus«, fügte er lebhaft und munter hinzu, »daß der Hauptschuldige bei der Teilung Polens gar nicht Friedrich war. Es stellt sich heraus ...«
     
    Und mit der ihm eigenen Klarheit berichtete er in Kürze über diese neuen, sehr wichtigen und interessanten Enthüllungen. Wiewohl Ljewin jetzt stark mit seinen Gedanken an die Landwirtschaft beschäftigt war, stellte er doch, während er dem Hausherrn zuhörte, die Überlegung an: ›Was hat er eigentlich damit vor? Warum in aller Welt interessiert ihn die Teilung Polens?‹ Als Swijaschski mit seiner Auseinandersetzung zu Ende war, fragte Ljewin unwillkürlich: »Und was soll nun geschehen?« Aber es sollte gar nichts weiter geschehen. Interessant war eben nur, daß sich das »herausgestellt« hatte. Aber warum ihn das interessierte, erklärte Swijaschski nicht und hielt er nicht für nötig zu erklären.
     
    »Ja, aber mich hat dieser verbitterte Gutsbesitzer sehr interessiert«, sagte Ljewin mit einem Seufzer. »Er ist ein kluger Mann, und was er sagte, war zum großen Teil richtig.«
     
    »Ach, gehen Sie doch! Er ist ein eingefleischter, heimlicher Anhänger der Leibeigenschaft, wie sie es alle sind!« erwiderte Swijaschski.
     
    »Und Sie als Adelsmarschall sind ihr Leiter ...«
     
    »Ja, nur daß ich sie als solcher nach der anderen Seite hin zu leiten suche«, versetzte Swijaschski lachend.
     
    »Da ist ein Punkt, der mich sehr beschäftigt«, sagte Ljewin. »Er hat recht: unsere Tätigkeit, das heißt eine rationelle Landwirtschaft, hat keinen Erfolg; es gedeiht nur eine Wucherwirtschaft wie bei jenem stillen, ruhigen Herrn, oder eine vom allereinfachsten Zuschnitt ... Wer ist daran schuld?«
     
    »Natürlich wir selbst. Aber es ist auch nicht richtig, daß eine rationelle Wirtschaft nicht vorwärtskäme. Bei Wasiltschikow geht es ganz gut.«
     
    »Der hat auch eine Fabrik ...«
     
    »Aber ich weiß überhaupt nicht, worüber Sie sich eigentlich wundern. Unser Landvolk steht in materieller und geistiger Hinsicht auf einer so niedrigen Entwicklungsstufe, daß es naturgemäß allem widerstreben muß, was ihm fremd ist. In Europa geht ein rationeller Wirtschaftsbetrieb gut vonstatten, weil das Volk gebildet ist; folglich müssen auch wir unserem Volke Bildung geben; das ist die ganze Sache.«
     
    »Aber wie sollen wir das anfangen?«
     
    »Um dem Volke Bildung zu geben, dazu sind drei Dinge erforderlich: Schulen, Schulen und nochmals Schulen.«
     
    »Aber Sie haben doch selbst gesagt, daß das Volk in materieller Hinsicht auf einer niedrigen Entwicklungsstufe steht; inwiefern können da die Schulen helfen?«
     
    »Wissen Sie, Sie erinnern mich an die Anekdote von den Ratschlägen, die man einem Kranken gab: ›Sie sollten es mit einem Abführmittel versuchen.‹ – ›Ich habe eins genommen; aber es ist davon nur noch schlimmer geworden.‹ – ›Versuchen Sie es doch einmal mit Blutegeln.‹ – ›Das habe ich versucht; es ist noch schlimmer geworden.‹ – ›Nun, dann sollten Sie einfach den lieben Gott bitten, Ihnen zu helfen.‹ – ›Das habe ich auch getan; aber es ist nur noch schlimmer geworden.‹ So machen auch wir beide es jetzt. Ich rede von Nationalökonomie; Sie sagen: ›Es wird nur schlimmer.‹ Ich rede von Sozialismus; Sie sagen: ›Es wird nur schlimmer.‹ Ich rede von Bildung; wieder: ›Es wird nur schlimmer.‹«
     
    »Ja, inwiefern können denn da die Schulen helfen?«
     
    »Sie erwecken bei dem Volke andere Bedürfnisse.«
     
    »Da haben wir's. Gerade das ist es, was ich nie habe begreifen können!« erwiderte Ljewin

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