Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)
– wie pflegen sich doch die Leute auszudrücken? Echt Knutehner Schlag, weil sie ohne einen Schlag mit der Knute sich nicht rührt – die werden sie Ihnen verderben. Aber wenn Sie Percherons einführen oder sonst eine kräftige Sorte von Arbeitspferden, die werden sie Ihnen nicht verderben. Und so steht es mit allem. Wir müssen die Landwirtschaft heben.«
»Wenn man nur wüßte, wo man das Geld dazu hernehmen soll, Nikolai Iwanowitsch! Sie sind gut dran; aber ich habe einen Sohn auf der Universität zu unterhalten und die kleineren Knaben auf dem Gymnasium; da kann ich mir keine Percherons kaufen.«
»Dafür sind die Banken da.«
»Damit das letzte, was man hat, unter den Hammer kommt? Nein, dafür danke ich.«
»Ich bin nicht Ihrer Ansicht, daß es nötig und möglich wäre, die Landwirtschaft noch mehr zu heben«, sagte Ljewin. »Ich habe das mit Eifer betrieben und besitze auch die nötigen Geldmittel; aber trotzdem habe ich nichts ausrichten können. Die Banken – ja, ich weiß nicht, wem die von Nutzen sind. Ich für meine Person habe, sooft ich für irgendeinen Zweck in der Wirtschaft Geld aufwendete, immer nur Schaden gehabt: beim Vieh Schaden, bei den Maschinen Schaden.«
»Ja, ja, das ist richtig!« bekräftigte der Gutsbesitzer mit dem grauen Schnurrbart und lachte dabei ordentlich vor Vergnügen.
»Und ich bin nicht der einzige, der diese Erfahrung macht«, fuhr Ljewin fort. »Ich berufe mich auf alle Landwirte, die eine rationelle Wirtschaft führen; alle, mit seltenen Ausnahmen, wirtschaften sie mit Schaden. Nun, sagen Sie selbst, ist denn Ihre Wirtschaft gewinnbringend?« fragte Ljewin und bemerkte sofort in Swijaschskis Blick jenen plötzlichen Ausdruck von Angst, den er immer wahrnahm, wenn er in Swijaschskis Geist weiter als bis in die Empfangszimmer eindringen wollte.
Übrigens war diese Frage Ljewins nicht ganz frei von Hinterlist. Die Hausfrau hatte ihm soeben erst beim Tee erzählt, sie hätten sich in diesem Sommer aus Moskau einen der Buchführung kundigen Deutschen kommen lassen, der ihnen gegen eine Gebühr von fünfhundert Rubeln ihre ganze Wirtschaft berechnet und gefunden habe, daß sie einen Verlust von etwas über dreitausend Rubeln bringe. Ganz genau hatte sie diese Zahl nicht im Kopfe; aber der Deutsche hatte es, wie sie sagte, bis auf eine Viertelkopeke ausgerechnet.
Der Gutsbesitzer lächelte, als Ljewin sich nach dem Ertrag von Swijaschskis Wirtschaft erkundigte; er mochte wohl wissen, wie es mit dem erzielten Gewinn bei seinem Nachbar, dem Adelsmarschall, stand.
»Es mag sein, daß sie nicht gewinnbringend ist«, antwortete Swijaschski. »Aber das beweist nur, daß ich entweder ein schlechter Landwirt bin, oder daß ich Kapital aufwende, um die Rente zu erhöhen.«
»Ach, die Rente!« rief Ljewin ganz entsetzt. »Vielleicht gibt es in Europa eine Rente, wo der Boden durch die hineingesteckte Arbeit besser geworden ist; aber bei uns wird der ganze Boden durch die hineingesteckte Arbeit nur schlechter, das heißt man mergelt ihn aus; also ist von Rente nicht die Rede.«
»Wie sollte es denn keine Rente geben? Das ist ein unumstößliches Gesetz.«
»Dann stehen wir eben außerhalb dieses Gesetzes. Durch den Hinweis auf die Rente kann bei uns nichts erklärt werden; das verwirrt im Gegenteil die Sache nur noch mehr. Nein, sagen Sie selbst, wie kann die Lehre von der Rente ...«
»Möchten Sie nicht etwas saure Milch? Mascha, laß uns doch saure Milch bringen oder auch Himbeeren«, wandte er sich an seine Frau. »Die Himbeeren halten sich in diesem Jahre merkwürdig lange.«
Damit stand Swijaschski in der vergnügtesten Stimmung auf und trat von Ljewin weg; er war offenbar der Meinung, daß das Gespräch an diesem Punkte beendet sei, während es nach Ljewins Ansicht gerade hier erst anfing.
Da ihn sein bisheriger Gesprächsgenosse verlassen hatte, so setzte Ljewin die Unterhaltung mit dem Gutsbesitzer fort und bemühte sich, ihm zu beweisen, daß die ganze Schwierigkeit daher komme, daß wir vor den Eigenheiten und Gewohnheiten des Arbeiters unsere Augen verschließen. Aber der Gutsbesitzer war wie alle selbständigen, einsamen Denker schwerfällig im Auffassen fremder Gedanken und zu sehr in seine eigenen verliebt. Er blieb eigensinnig dabei, der russische Bauer sei ein Vieh und habe diesen viehischen Zustand gerne, und um ihn aus diesem viehischen Zustande herauszubringen, seien Machtmittel erforderlich;
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