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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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gesagt, und ich verlange auch nichts«, sagte er; »aber Sie wissen, daß ich Freundschaft nicht brauchen kann. Für mich ist nur ein Glück im Leben möglich, eben jenes Wort, das Sie so gar nicht leiden mögen, – ja, die Liebe.«
     
    »Die Liebe«, wiederholte sie langsam, wie aus tiefster Brust, und fügte plötzlich in dem Augenblicke, da sie ihre Spitzen los bekommen hatte, hinzu: »Ich mag dieses Wort deshalb nicht leiden, weil es nach meiner Auffassung gar zuviel bedeutet, weit mehr, als Sie sich vorstellen können.« Sie blickte ihm voll ins Gesicht: »Auf Wiedersehen!«
     
    Sie reichte ihm die Hand, ging mit schnellem, elastischem Schritte an dem Pförtner vorbei und verschwand im Wagen.
     
    Ihren Blick und die Berührung ihrer Hand empfand er wie ein sengendes Feuer. Er küßte seine eigene Hand an der Stelle, wo Anna sie berührt hatte, und fuhr hochbeglückt nach Hause in dem Bewußtsein, daß er an dem heutigen Abende größere Fortschritte in der Richtung auf sein Ziel zu gemacht hatte als in den letzten beiden Monaten.
     
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    1 (engl.) spötteln.
     

8
     
    A lexei Alexandrowitsch hatte nichts Auffälliges und Unschickliches darin gefunden, daß seine Frau mit Wronski an einem besonderen Tisch gesessen und mit ihm ein lebhaftes Gespräch über irgendwelchen Gegenstand geführt hatte; aber er hatte gemerkt, daß dies den anderen Anwesenden eigentümlich und unpassend erschienen war, und darum erschien es ihm gleichfalls unpassend. Er kam zu der Überzeugung, daß er mit seiner Frau darüber sprechen müsse.
     
    Nach Hause zurückgekehrt, ging er, wie er das regelmäßig tat, in sein Arbeitszimmer und setzte sich in seinen Lehnstuhl, schlug ein Buch über das Papsttum an der Stelle auf, wo das Papiermesser eingelegt war, und las wie gewöhnlich bis ein Uhr, aber ab und zu fuhr er sich mit der Hand über die hohe Stirn und schüttelte mit dem Kopfe, wie wenn er etwas wegscheuchen wollte. Zur gewohnten Stunde stand er auf und machte seine Nachttoilette. Anna Arkadjewna war noch nicht heimgekehrt. Mit dem Buche unter dem Arme ging er hinauf; aber während seine Gedanken und Überlegungen sich sonst um dienstliche Angelegenheiten zu drehen pflegten, beschäftigten sie sich am heutigen Abend mit seiner Frau und mit irgend etwas Unangenehmem, das sich mit ihr zugetragen hatte. Gegen seine Gewohnheit legte er sich nicht zu Bett, sondern begann, die Hände mit zusammengehakten Fingern auf dem Rücken haltend, durch die Zimmerreihe hin und her zu wandern. Er konnte sich nicht hinlegen, da er fühlte, daß er vorher unbedingt diesen neu aufgetauchten Umstand nach allen Richtungen durchdenken müsse.
     
    Als Alexei Alexandrowitsch bei sich zu dem Entschlusse gelangt war, mit seiner Frau zu reden, war ihm dies als etwas sehr Leichtes und Einfaches erschienen; aber jetzt, da er diesen neu aufgetauchten Umstand zu durchdenken begann, erschien er ihm als etwas recht Verwickeltes und Schwieriges.
     
    Alexei Alexandrowitsch war nicht eifersüchtig. Eifersucht war nach seiner Anschauung eine Beleidigung für die Gattin; zur Gattin mußte man Vertrauen haben. Warum er Vertrauen haben müsse, das heißt die volle Zuversicht haben müsse, daß seine junge Frau ihn immer lieben werde, das hatte er sich nie gefragt; aber er empfand nie Mißtrauen, daher hatte er eben Vertrauen und sagte sich, daß man es haben müsse. Jetzt nun war seine Überzeugung, daß Eifersucht ein unwürdiges Gefühl sei und daß man Vertrauen haben müsse, allerdings in keiner Weise erschüttert, aber er hatte doch das Gefühl, daß er etwas Unlogischem und Unvernünftigem gegenüberstehe, und wußte nicht, wie er sich zu verhalten habe. Alexei Alexandrowitsch stand jetzt dem wirklichen Leben gegenüber, stand der Möglichkeit gegenüber, daß seine Frau noch jemand anderes als ihn liebe, und dies erschien ihm ganz sinnlos und unbegreiflich, weil es eben das wirkliche Leben war. Von jungen Jahren an hatte Alexei Alexandrowitsch in der Amtsluft gelebt und gearbeitet und es dort immer nur mit einem matten Abglanze des Lebens zu tun gehabt. Und jedesmal, wenn er mit dem wirklichen Leben zusammengestoßen war, war er ihm ausgewichen. Jetzt machte er ein Gefühl durch, ähnlich dem, wie es wohl jemand haben würde, der ruhig auf einer Brücke über einem Abgrunde dahinwandert und auf einmal sieht, daß vor seinen Füßen die Brücke abgebrochen ist und daß dort ein tiefer Schlund gähnt. Dieser tiefe Schlund war das wirkliche Leben, die Brücke

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