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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Entzücken über die Kinder aussprachen.
    »Sieh mal, du nettes Mädel, du bist ja weiß wie Zucker«, sagte die eine, indem sie Tanja bewundernd betrachtete
    und den Kopf hin und her wiegte. »Aber mager, mager ...«
    »Ja, sie ist krank gewesen.«
    »Na so was, das Würmchen haben sie auch gebadet«, sagte eine andere mit Bezug auf den Säugling.
    »Nein, die ist nicht mit gebadet; sie ist erst drei Monate alt«, antwortete Darja Alexandrowna stolz.
    »Ei, sieh mal an!«
    »Hast du auch Kinder?«
    »Ich habe vier gehabt; zwei sind mir davon am Leben geblieben, ein Knabe und ein Mädchen. Vor den Fasten habe
    ich das Mädchen entwöhnt.«
    »Wie alt ist sie denn?«
    »Im zweiten Jahr.«
    »Warum hast du sie denn so lange genährt?«
    »Das ist bei uns so üblich: drei Fastenzeiten ...«
    Und nun wurde das Gespräch für Darja Alexandrowna sehr interessant: wie es mit der Entbindung gegangen sei, was
    für Krankheiten das Kind durchgemacht habe, wo der Mann sei, ob er viel zu Hause sei.
    Darja Alexandrowna mochte sich von den Weibern gar nicht trennen, so lebhaft interessierte sie das Gespräch mit
    ihnen, so völlig stimmten die beiderseitigen Interessen überein. Am meisten Vergnügen machte es ihr, daß sie
    deutlich sah, wie sie von all diesen Frauen besonders deswegen angestaunt und bewundert wurde, weil sie so viele
    und so hübsche Kinder hatte. Auch brachten die Weiber Darja Alexandrowna durch ihr Erstaunen über die Engländerin
    zum Lachen, während diese sich gekränkt fühlte, weil sie sah, daß man über sie lachte, ohne daß sie den Grund
    begriff. Eine der jungen Frauen nämlich beobachtete die Engländerin, die sich zuletzt nach den andern wieder
    ankleidete, und als diese sich nun schon den dritten Unterrock anzog, konnte sich die Bauernfrau einer Bemerkung
    nicht enthalten: »Seht mal bloß, sie zieht sich einen Rock nach dem andern an, immer mehr, und wird nie fertig!«
    sagte sie, und alle brachen in lautes Gelächter aus.
Fußnoten
    1 (engl.) Etwas mehr, bitte.

9
    Umgeben von all ihren frisch gebadeten Kindern mit den nassen Köpfen, war Darja Alexandrowna, die sich ein Tuch
    um den Kopf gebunden hatte, bei der Heimfahrt schon nicht mehr weit von ihrem Hause entfernt, als der Kutscher zu
    ihr sagte: »Da kommt ein Herr gegangen; ich glaube, es ist der aus Pokrowskoje.«
    Darja Alexandrowna blickte nach vorn und freute sich, als sie in grauem Überrock und mit grauem Hute die
    wohlbekannte Gestalt Ljewins erblickte, der ihnen entgegenkam. Sie freute sich ja auch sonst immer, wenn sie mit
    ihm zusammentraf; aber augenblicklich war es ihr besonders lieb, daß er sie in ihrer ganzen mütterlichen
    Herrlichkeit zu sehen bekam. Und in der Tat konnte niemand dies verständnisvoller würdigen als Ljewin.
    Als er sie erblickte, meinte er eines jener Bilder vor sich zu sehen, wie er sie sich über sein eigenes
    zukünftiges Familienleben ausgemalt hatte.
    »Sie sehen ja ganz wie eine Gluckhenne aus, Darja Alexandrowna.«
    »Ach, wie freue ich mich«, sagte sie und streckte ihm die Hand entgegen.
    »So! Sie sagen, Sie freuen sich, und haben mich gar nicht wissen lassen, daß Sie jetzt hier wohnen. Ich habe
    meinen Bruder zu Besuch. Eben erst habe ich von Stiwa die Nachricht erhalten, daß Sie hier sind.«
    »Von Stiwa?« fragte Darja Alexandrowna verwundert.
    »Ja, er schreibt, daß Sie hierher übergesiedelt seien, und meint, Sie würden mir erlauben, Ihnen in der einen
    oder andern Weise behilflich zu sein«, erwiderte Ljewin; aber sobald er das gesagt hatte, wurde er plötzlich
    verlegen, brach ab und ging nun schweigend neben dem Wagen her, wobei er junge Lindentriebe abriß und an ihnen
    herumkaute. Was ihn verlegen gemacht hatte, war der Gedanke, es könne Darja Alexandrowna unangenehm sein, daß ein
    Fremder ihr Hilfe anbiete in einer Sache, die eigentlich ihr Mann hätte in Ordnung bringen müssen. Und in der Tat
    fand Darja Alexandrowna diese Art Stepan Arkadjewitschs nicht sehr passend, Geschäfte, die ihm im Interesse seiner
    Familie oblagen, Fremden aufzuladen. Und sie merkte sofort, daß Ljewin das durchschaute. Eben wegen dieser Feinheit
    des Verständnisses und wegen dieses Zartgefühls mochte sie ihn so gern leiden.
    »Ich habe mir natürlich gesagt«, fuhr Ljewin endlich fort, »daß das nur bedeuten sollte, Sie wünschten mich zu
    sehen, und habe mich sehr darüber gefreut. Ich kann mir selbstverständlich denken, daß Ihnen, Ihrem städtischen
    Haushalte gegenüber, hier manches fremd

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