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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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braucht. Er arbeitet mit dem
    Kopfe.«
    »Mag sein. Aber fremdartig bleibt es mir dennoch, ebenso wie es mir jetzt seltsam vorkommt, daß, während wir auf
    dem Lande uns möglichst schnell satt zu essen suchen, um wieder an unsere Arbeit gehen zu können, wir beide hier es
    darauf anlegen, möglichst lange zu essen, ohne satt zu werden, und zu diesem Zwecke Austern essen.«
    »Selbstverständlich tun wir das«, warf Stepan Arkadjewitsch dazwischen. »Aber darin besteht ja gerade das Ziel
    der Bildung: sich aus allem einen Genuß zu bereiten.«
    »Nun, wenn das das Ziel ist, dann möchte ich lieber ein Wilder sein.«
    »Du bist ja auch ein Wilder. Ihr Ljewins seid alle Wilde.«
    Ljewin seufzte. Er dachte an seinen Bruder Nikolai, und Scham und Traurigkeit überkamen ihn, so daß seine Miene
    sich verfinsterte; aber Oblonski leitete das Gespräch auf einen Gegenstand, der ihn sofort diese trüben Gedanken
    vergessen ließ.
    »Nun, wie ist's? Kommst du heute abend zu meinen Verwandten, ich meine, zu Schtscherbazkis?« fragte er, indem er
    die leeren, rauhen Austernschalen von sich schob, sich den Käse heranzog und bedeutsam mit den Augen zwinkerte.
    »Ja, ich werde bestimmt hinkommen«, antwortete Ljewin, »obgleich ich den Eindruck hatte, daß die Fürstin mich
    nur ungern aufforderte.«
    »Wie kannst du das denken! So ein Unsinn! Das ist nun einmal ihre Manier so. – Na, nun bring uns die Suppe,
    lieber Freund! – Das ist so ihre Art, grande dame«, sagte Stepan Arkadjewitsch. »Ich komme auch hin, muß aber
    vorher erst noch zu der Gräfin Bonina zu einer Gesangsprobe. Na, kannst du bestreiten, daß du ein Wilder bist? Wie
    ist es denn sonst zu erklären, daß du vor ein paar Monaten urplötzlich aus Moskau verschwandest? Schtscherbazkis
    haben mich unaufhörlich nach dir gefragt, als müßte ich Bescheid wissen. Und ich weiß doch nur das eine, daß du
    immer gerade das tust, was sonst niemand tut.«
    »Ja«, erwiderte Ljewin langsam und in sichtlicher Erregung. »Du hast recht: ich bin ein Wilder. Nur hat sich das
    nicht darin gezeigt, daß ich damals wegfuhr, sondern darin, daß ich jetzt wiedergekommen bin. Ich bin jetzt
    wiedergekommen ...«
    »Oh, was bist du für ein glücklicher Mensch!« unterbrach ihn Stepan Arkadjewitsch und blickte ihm in die
    Augen.
    »Weswegen?«
    »Am gebrannten Mal erseh ich,
    Ob von edler Art ein Roß;
    An des Jünglings Aug erspäh ich,
    Ob ins Herz ihn Amor schoß«,
    deklamierte Stepan Arkadjewitsch. »Du hast noch alles vor dir.«
    »Hast du denn schon alles hinter dir?«
    »Nein, wenn auch nicht gerade das. Aber du hast noch die Zukunft; ich dagegen habe nur die Gegenwart, und die
    ist nur soso, halb süß, halb sauer.«
    »Wieso denn?«
    »Eine verdrießliche Geschichte. Na, aber ich wollte ja nicht von mir reden und könnte dir sowieso nicht alles
    auseinandersetzen«, antwortete Stepan Arkadjewitsch. »Also warum bist du denn nach Moskau gekommen? – He du, räum
    das hier weg!« rief er dem Tataren zu.
    »Kannst du es nicht erraten?« versetzte Ljewin, ohne die Augen, in denen ein tiefinnerliches Leuchten lag, von
    Stepan Arkadjewitsch wegzuwenden.
    »Ich errate es schon, kann aber doch nicht anfangen, davon zu reden. Schon danach kannst du beurteilen, ob ich
    richtig oder nicht richtig rate«, sagte Stepan Arkadjewitsch und blickte Ljewin mit einem feinen Lächeln an.
    »Nun, was kannst du mir darüber sagen?« fragte Ljewin mit zitternder Stimme; er fühlte, daß in seinem Gesicht
    alle Muskeln zitterten. »Wie siehst du die Sache an?«
    Stepan Arkadjewitsch trank langsam sein Glas Chablis aus, ohne die Augen von Ljewin wegzuwenden.
    »Ich?« erwiderte er. »Ich würde nichts sehnlicher wünschen, nichts sehnlicher! Das wäre das beste, was überhaupt
    geschehen könnte.«
    »Aber bist du auch nicht in einem Irrtum befangen? Du weißt doch, wovon wir sprechen?« fragte Ljewin und blickte
    seinen Tischgenossen in unruhiger Spannung starr an. »Du meinst also, daß es möglich wäre?«
    »Das meine ich allerdings. Warum sollte es nicht möglich sein?«
    »Nein, meinst du wirklich, daß es möglich wäre? Nein, sage mir alles, was du darüber denkst! Nun aber, wenn ...
    wenn mich eine abschlägige Antwort erwartet? – Ich bin sogar überzeugt ...«
    »Warum denkst du denn das?« sagte Stepan Arkadjewitsch, über Ljewins Aufregung lächelnd.
    »Es scheint mir bisweilen so. Das wäre ja entsetzlich, sowohl für mich wie für sie.«
    »Na, für ein junges Mädchen ist

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