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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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achtjährigen Sohnes, sondern ähnelte eher einem zwanzigjährigen Mädchen in der Biegsamkeit
    ihrer Bewegungen, in der Frische ihres Wesens und in der ein wenig zurückgehaltenen Lebhaftigkeit des Gesichtes,
    die bald in einem Lächeln, bald in einem Blicke zum Durchbruch kam, wenn nur nicht der ernste, bisweilen sogar
    traurige Ausdruck ihrer Augen gewesen wäre, der Kitty betroffen machte und dabei, doch anzog. Kitty fühlte, daß
    Anna sich vollkommen natürlich gab und nichts verbarg, daß aber in ihrer Seele eine Welt von höheren Gedanken
    ruhte, von ernsten, poetischen Gedanken, die ihr, dem jungen Mädchen, unfaßbar waren.
    Als Dolly sich nach dem Mittagessen in ihr Zimmer begeben hatte, stand Anna rasch auf und trat zu ihrem Bruder,
    der sich gerade eine Zigarre anzündete.
    »Stiwa«, sagte sie, indem sie ihm lustig zuzwinkerte, ihn bekreuzte und mit den Augen zur Tür wies, »geh, und
    Gott möge dir beistehen!«
    Er verstand sie, warf die Zigarre beiseite und verschwand hinter der Tür.
    Als Stepan Arkadjewitsch das Zimmer verlassen hatte, kehrte Anna zu dem Sofa zurück, auf dem sie gesessen hatte,
    von den Kindern umringt. Ob es nun daher kam, daß die Kinder sahen, wie sehr ihre Mama diese Tante liebte, oder
    daher, daß sie selbst an ihr ein besonderes Gefallen gefunden hatten: genug, die beiden älteren und, ihrem Beispiel
    folgend, auch die jüngeren hatten sich, wie man das bei Kindern nicht selten sieht, schon vor dem Mittagessen wie
    die Kletten an die neue Tante gehängt und waren keinen Augenblick von ihr gewichen. Ja, es hatte sich bei ihnen
    eine Art Spiel herausgebildet, das darin bestand, möglichst nahe neben der Tante zu sitzen, sie anzufassen, ihre
    kleine Hand zu halten und zu küssen oder wenigstens den Faltenbesatz ihres Kleides zu berühren.
    »Halt, halt! So, wie wir vorher gesessen haben!« sagte Anna Arkadjewna, indem sie sich wieder auf ihren Platz
    setzte.
    Grigori schob von neuem den Kopf unter ihren Arm, schmiegte sich mit dem Kopfe an ihr Kleid und strahlte vor
    Stolz und Glück.
    »Also jetzt sagen Sie mir, bitte, wann eigentlich der Ball sein wird«, wandte sich Anna an Kitty.
    »In der nächsten Woche. Und es wird ein sehr schöner Ball werden. Einer von den Bällen, auf denen man immer
    vergnügt ist.«
    »Gibt es denn solche, auf denen man immer vergnügt ist?« fragte Anna mit einem leisen, heiteren Lachen.
    »Ja, es ist merkwürdig, aber es gibt solche. Bei Bobrischtschews geht es immer lustig zu, auch bei Nikitins,
    aber bei Meschkows ist es immer langweilig. Ist Ihnen das nicht auch aufgefallen?«
    »Nein, mein Herz, für mich gibt es solche Bälle nicht mehr, auf denen es lustig ist«, erwiderte Anna, und Kitty
    erblickte in ihren Augen jene besondere Welt, die ihr verschlossen blieb. »Für mich gibt es nur solche, auf denen
    es weniger öde und langweilig ist als auf anderen.«
    »Wie können Sie sich denn auf einem Balle langweilen?«
    »Warum sollte gerade ich mich auf einem Balle nicht langweilen?« fragte Anna.
    Kitty merkte, daß Anna im voraus wußte, welche Antwort nun folgen werde.
    »Weil Sie immer die Schönste von allen sind.«
    Anna besaß die Eigenschaft, leicht zu erröten. Auch jetzt wurde sie rot und erwiderte:
    »Erstens ist das ganz und gar nicht der Fall, und zweitens, selbst wenn es der Fall wäre, was hätte ich
    davon?«
    »Werden Sie diesen Ball besuchen?« fragte Kitty.
    »Ich glaube, ich werde wohl nicht umhinkönnen. Da, nimm ihn«, sagte sie zu Tanja, die an einem Ringe zog, der
    sich leicht von Annas schlankem, an der Spitze dünner werdendem Finger streifen ließ.
    »Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie hinkämen. Ich möchte Sie so gern auf einem Balle sehen.«
    »Dann wird mir, wenn ich wirklich hin muß, wenigstens der Gedanke tröstlich sein, daß ich Ihnen damit ein
    Vergnügen mache. – Grigori, in meinem Haar darfst du aber nicht zausen; das ist auch so schon immer unordentlich
    genug«, sagte sie und brachte eine losgegangene Strähne in Ordnung, mit der Grigori gespielt hatte.
    »Ich stelle Sie mir auf dem Balle in Lila vor.«
    »Warum denn gerade in Lila?« fragte Anna lächelnd. »Aber nun, Kinder, müßt ihr gehen. Hört ihr wohl? Miß Hull
    ruft euch zum Teetrinken«, sagte sie, indem sie sich von den Kindern losmachte und sie in das Eßzimmer schob. »Ich
    weiß auch, warum Sie mich auf diesem Balle sehen möchten. Sie erwarten für sich etwas Wichtiges von diesem Balle,
    und da möchten Sie, daß alle dabei wären

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