Anna Strong Chronicles 05 - Blutrotes Verlangen
Draht verbinde. Vielleicht ist das bei Hexenschwestern auch so. Hat Burke sie im Augenblick ihres Todes besucht? Hat sie Sophie Schuldgefühle eingeflößt, weil es Sophies Zauber war, der sie so angreifbar gemacht hat?
Es fällt mir leichter, zuzulassen, dass Sophie ihren Zorn gegen mich richtet und ihre Schwester in einigermaßen guter Erinnerung behält, soweit das möglich ist, als diese Illusion zu zerstören, indem ich ihr die Wahrheit sage. Burke war durch und durch böse. Wenn sie weitergelebt hätte, wären sowohl Sophie als auch ich zu Zielscheiben ihrer Rache geworden.
Erschöpfung überwältigt mich. »Ich muss jetzt schlafen. Kommst du zurecht?«
Sie antwortet nicht. Ich kümmere mich um sie . Deveraux’ Stimme klingt gedämpft und dankbar . Ich weiß, was passiert ist, Anna. Ich habe es gerade in deinen Gedanken gelesen. Du hast das Richtige getan. Irgendwann wird Sophie das auch einsehen.
Vielleicht. Sophie starrt ins Leere, und jetzt fließen die Tränen über. Ausnahmsweise bin ich froh darüber, dass Deveraux da ist. Ihre Beziehung mag bizarr sein, aber zumindest ist Sophie nicht allein. Im Gegensatz zu mir.
Ich schleppe mich die Treppe hinauf, und mein Herz fühlt sich so bleiern an wie meine Beine. Die letzten Nächte habe ich in einem ungemachten Bett verbracht, nur in eine Decke gewickelt. Jetzt hole ich frische Bettwäsche aus dem Schrank, ziehe und streiche das Laken glatt, mache die Decke zurecht, schüttele die Kissen auf.
Ich hoffe, dass diese einfachen häuslichen Tätigkeiten mich entspannen und mich daran erinnern werden, dass es in meinem Leben noch mehr gibt als Ungeheuer, Folter und Mord. Dass sie mich ruhig schlafen lassen werden.
Doch als ich schließlich in dieses frisch bezogene Bett krieche, sind es nicht die Ereignisse des heutigen Tages, die mich um den Schlaf bringen.
Es ist das, was morgen geschehen wird. Ich hätte es beinahe vergessen. Morgen um zwei Uhr wird Ortiz beerdigt.
Kapitel 59
Am nächsten Morgen stehe ich früh auf. Ich dusche und ziehe mich an – statt der üblichen Jeans und einem T-Shirt trage ich heute eine schwarze Hose und eine Bluse unter einem schwarzen Blazer. Für die Beerdigung.
Sophie schläft im Gästezimmer. Sie muss irgendwann während der Nacht wieder nach oben gekommen sein. Ich laufe schnell rüber zum Mission Café, bestelle Eier Benedikt, Obstsalat und ein paar Zimtbrötchen und lasse mir alles zum Mitnehmen einpacken. Ich habe nie etwas zu essen im Haus – wozu auch? –, aber ich weiß, dass Sophie gestern nichts gegessen hat. Falls sie heute Morgen hungrig aufwacht, will ich etwas für sie da haben.
Zu Hause packe ich die Eier in Folie und lege sie mitsamt den Zimtbrötchen in den warmen Ofen. Dann setze ich Kaffee auf.
Lance ruft an, als ich mir die erste Tasse einschenke. Seine Stimme wärmt mir das Herz. Er wird morgen früh mit dem ersten Flug nach Hause kommen und fragt, ob ich ihn abholen möchte. Er kommt früher zurück als geplant, ein unerwartetes Geschenk. Ich bin so dankbar, dass ich meine Aufregung kaum zügeln kann. Ich notiere mir die Ankunftszeit und die Flugnummer.
Sophie erscheint zögerlich in der offenen Tür, als ich gerade auflege. Deveraux spricht als Erster . Kommt dein Freund nach Hause? Sein Tonfall klingt belustigt. Offensichtlich hat er auf dem Weg nach unten mein Gespräch mit Lance belauscht. Das nervt mich so, dass ich ihn am liebsten anfauchen würde. Aber Sophie hat noch nichts gesagt, und ich bin eher besorgt um sie als gereizt wegen Deveraux’ albernen Partytricks.
Ich zeige auf einen Platz am Küchentisch. Sie lässt sich auf den Stuhl sinken, immer noch wortlos. Ich will sie nicht drängen, also beschäftige ich mich damit, den Tisch zu decken und das Essen aus dem Ofen zu holen.
Sie beobachtet mich mit mattem Blick. Endlich greift sie tatsächlich zur Gabel, doch statt zu essen, stupst sie die Eier nur in kleinen, lustlosen Kreisen auf dem Teller herum. Nach einer Minute schiebt sie den Teller von sich. »Ich glaube, ich habe keinen Hunger.«
Ich biete ihr eine Tasse Kaffee an, aber sie schüttelt den Kopf. »Du hast nicht zufällig Tee da, oder?«
Jetzt bin ich an der Reihe, bedauernd den Kopf zu schütteln. »Nein, tut mir leid. Aber ich kann schnell noch mal zum Café gehen.«
Sie seufzt tief. »Nein, schon gut. Wasser vielleicht?«
Ich hole eine Flasche aus dem Kühlschrank und reiche sie ihr. Sie trinkt einen winzigen Schluck. »Danke.« Wir verfallen in Schweigen. Ich will
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