Anna Strong Chronicles 05 - Blutrotes Verlangen
das Thema nicht ansprechen, aber es gibt immer noch ein paar unbeantwortete Fragen. Culebra und Frey sind zwar nicht mehr in Gefahr, aber die Frauen – die Opfer von Burke und ihrer Wundercreme.
»Sophie, was wird mit den Frauen passieren, die eure Creme benutzt haben? Werden sie von selbst wieder normal? Muss die Polizei sie aufspüren?«
Sie reckt das Kinn. »Wenn sie die starke Formel bekommen haben, werden sie unter schrecklichen Entzugserscheinungen leiden. Sie könnten sogar den Drang verspüren, Blut zu trinken, also sollte die Polizei wachsam sein. Mit oder ohne medizinische Hilfe werden die Frauen aber etwa einen Monat nach der letzten Anwendung wieder so sein wie vorher. Wenn die gesamte Produktion bei dem Brand zerstört wurde, dürfte es keinen Grund zur Sorge mehr geben.«
Ein Hauch von Feindseligkeit liegt in ihrer Stimme, ein finsterer Zorn, weil sie glaubt, ich hätte übereilt gehandelt, indem ich ihre Schwester verfolgt habe. Sie glaubt, das Feuer hätte die Gefahr beseitigt. Aber ich weiß, dass noch ganze LKW-Ladungen von dem Zeug irgendwo herumstehen. Ich habe sie gesehen. Hat Williams die Information an die Polizei weitergeleitet? In den vergangenen Tagen ist so viel passiert, dass ich mich nicht erinnern kann.
Das zweite Thema kann ich ebenso gut gleich ansprechen. »Hast du es dir noch einmal anders überlegt, was die Hilfe für…« Ich suche nach den richtigen Worten. Meine erste Formulierung, nämlich die Vampire, die deine Schwester geschaffen, gequält und ausgeblutet hat, erscheint mir im Moment etwas zu drastisch. Sie trauert um ihre Schwester, nicht das Ungeheuer.
»Die Mädchen, von denen du mir gestern Abend erzählt hast?«
Gerettet. »Ja.«
»Natürlich will ich ihnen helfen. Wie kommst du darauf, dass ich es mir anders überlegen könnte?«
Sie schiebt ihren Stuhl zurück. »Wenn du mir etwas zum Anziehen borgen könntest, würde ich jetzt gern fahren.«
Ich stehe ebenfalls auf und folge ihr die Treppe hinauf. Sie will so schnell wie möglich weg von mir. Das kann ich ihr kaum verdenken. Ich leihe Sophie eine Jeans und einen Pulli, einen Kamm und eine Zahnbürste. Sie geht duschen und ist eine halbe Stunde später bereit, zu Rose zu fahren.
Die Fahrt verläuft still, selbst Deveraux ist schweigsam. Rose freut sich sehr, Sophie kennenzulernen und von ihrem Plan zu erfahren. Die Mädchen, die glauben, Sophie sei in ihrem Alter, sind sofort einverstanden. Vor allem, als Sophie ihnen von der Villa erzählt, die ab sofort ihr Zuhause sein wird, und davon, wie schön es in Denver ist. Ich rufe Jeff an, und er versichert mir, dass das Flugzeug für sie bereitstehen wird.
Die Mädchen eilen über das Rollfeld an Bord des Jets, geschützt von weiten Gewändern, die sie vom Hals bis zu den Knöcheln einhüllen, und breitkrempigen Hüten. Sie verabschieden sich fröhlich schwatzend von mir, ganz aufgeregt, weil sie ein neues Leben beginnen werden, hoffentlich ein so schönes, wie keine von ihnen es je zuvor gekannt hat.
Sophie bleibt neben mir auf dem Flugfeld stehen, nachdem alle sicher an Bord gegangen sind. »Ich halte dich über die Mädchen auf dem Laufenden«, sagt sie. »Bei uns wird es ihnen gutgehen. Wir werden sie beschützen.«
Ich wüsste zu gern, was ich sagen könnte, um die Kluft zwischen uns zu überbrücken. Es tut mir nicht leid, dass ich Burke getötet habe. Das würde ich jederzeit wieder tun. Es tut mir leid, dass ich Sophies Schmerz nicht lindern kann.
Sie wird schon wieder zur Vernunft kommen . Zum ersten Mal heute berührt Deveraux meinen Geist.
Nein. Wird sie nicht.
Ich habe einen Bruder verloren. Ich weiß, dass nichts diesen Schmerz lindern kann.
Kapitel 60
Ich habe so etwas schon in Fernsehberichten gesehen, es aber noch nie selbst erlebt: die Beerdigung eines hochdekorierten Polizeibeamten. Ortiz’ Beerdigung. Ich erreiche den Friedhof, nachdem die kilometerlange Prozession der Streifenwagen und Limousinen bereits ihre Trauernden abgesetzt hat. Ortiz’ leerer Sarg steht neben dem Grab, mit einer amerikanischen Flagge bedeckt. Daneben hat eine Fahnenwache Aufstellung genommen.
Ich bleibe ganz hinten in der Menge stehen und suche nach anderen Vampiren, vor allem Williams. Ich nehme an, dass er mit Brooke ganz vorn sitzen wird. Er hat beste Verbindungen innerhalb der übernatürlichen Gemeinschaft – Verbindungen, die ihm gestern möglicherweise zu Hilfe gekommen sind und seine Heilung beschleunigt haben. Da ich weiß, wie er zu Ortiz stand,
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