Anna Strong Chronicles 05 - Blutrotes Verlangen
hatten unsere Differenzen. Ich weiß, dass wir eines Tages gezwungen sein werden, uns damit auseinanderzusetzen. Aber im Moment stellt Williams keine Gefahr mehr dar. Er wurde heute schwer verletzt. Schwerer als du. Es wird eine Weile dauern, bis er geheilt ist.«
Sie öffnet den Mund, und ich erahne ihre nächsten Worte. Ich hebe die Hand. »Ich weiß, was du sagen willst. Dass auch Burke schwer verletzt ist und keine Gefahr darstellt. Bei Williams ist das etwas anderes. Ich kenne seine Stärken und Schwächen. Ich weiß, wie ich ihn besiegen kann. Burke hat mir bewiesen, dass sie mich all meiner Kräfte berauben kann. Dass sie die Macht besaß, meinen Freunden weh zu tun, und ich rein gar nichts dagegen unternehmen konnte. Darüber kann ich nicht einfach hinweggehen, Sophie. Nicht einmal dir zuliebe. Es tut mir leid.« Ich entziehe ihr meine Hand und stehe auf. »Ich möchte, dass du heute Nacht hierbleibst. Wenn es dir ernst damit ist, dass du dich um die Mädchen aus der Fabrikhalle kümmern willst, bringe ich dich morgen früh zu ihnen und fliege euch alle nach Denver.«
Sophie sieht mir forschend ins Gesicht und versucht wohl abzuschätzen, ob sie noch irgendeine Chance hätte, mich von meinem Plan abzubringen. Ich warte auch darauf, dass Deveraux sich noch irgendein Argument dagegen einfallen lässt, dass ich mir ihre Schwester vornehme, doch es kommt nichts.
Nach einem langen Augenblick seufzt Sophie tief. »Ich denke, das wäre das Beste. Zu Hause werde ich mich sicherer fühlen. Ich muss Schutzzauber errichten. Und Deveraux würde Williams spüren, wenn der versuchen würde, mich noch einmal anzugreifen.«
In der Villa werden wir sicher sein , bestätigt Deveraux. Ich habe gute Kontakte zur Vampirgemeinde. Wir werden Sophie gut beschützen.
Es ist also entschieden. Ich lasse Sophie allein, gehe hinunter und vergewissere mich, dass die Türen und Fenster gesichert sind. Ich glaube wirklich an das, was ich Sophie gesagt habe – dass Williams zu schwer verletzt ist, um ihr gefährlich zu werden.
Aber warum ein Risiko eingehen? Vor allem, da ich verschwinden werde, sobald sie schläft.
Kapitel 56
Als ich eine halbe Stunde später nach Sophie sehe, schläft sie tief und fest. Ich frage mich, ob auch Deveraux schläft oder ob er wie eine Art unterbewusster Wachhund jederzeit bereit ist, sie zu wecken, falls er Gefahr spürt. Aber ich probiere es nicht aus, indem ich einen Gedanken zu ihm aussende. Er soll nicht wissen, dass ich gehe. Außerdem ist Williams der Einzige, der Sophie Böses will, und er kann sich von einer so schweren Verletzung nicht so rasch erholt haben. Sie wird hier sicher sein, bis ich zurückkomme.
Und wenn ich nicht zurückkomme? Ich schließe leise die Tür und lasse Sophie und diese Frage hinter mir.
Ich laufe hinunter und in die Garage. Ich habe schon im Hauptquartier angerufen, um ein Treffen mit den Hexen zu arrangieren. Sie hatten einen Anruf von Williams erwartet, und ich habe einfach behauptet, unsere Pläne hätten sich geändert. Es ist früher Abend, aber der aufgehende Vollmond am wolkenlosen Himmel taucht den Balboa Park in ein überirdisches Licht. Schatten an den Gebäuden und Bäumen wirken wie hinterleuchtet.
Die einzigen Geräusche kommen aus dem nahen Zoo – das Geheul und die Rufe von Tieren, die irgendeinem primitiven Drang folgen und den Mond um Befreiung anflehen. Das Tier in mir reagiert auch darauf. Es regt sich, knurrt und sehnt sich nach der Jagd. Die Hexen erwarten mich schon, als ich aus dem Aufzug trete. Es ist still in dem großen Vorraum, der das Herz der Anlage bildet. Nur ein halbes Dutzend Hellseher haben Dienst. Sie achten nicht auf uns, als wir den Flur entlang verschwinden.
Sobald sich die Tür hinter uns geschlossen hat, ergreift Susan Powers das Wort. Sie nimmt die Schale entgegen, die ich ihr reiche. »Bist du sicher, dass du das wirklich willst?« Sie betrachtet die Schale mit der rubinroten Flüssigkeit – Sophies Blut – und stellt sie auf den Tisch. »Es ist sehr gefährlich.
Wenn wir dich an dein Ziel gebracht haben, bleiben dir nur zehn Minuten. Danach haben wir keine Möglichkeit mehr, dich zurückzuholen. Dann bist du ganz auf dich allein gestellt. Wir können dir mit unserer Magie nicht mehr helfen.«
»Oder dich beschützen«, fügt Min Liu hinzu. »Du wärst ein Mensch ohne irgendwelche Kräfte auf einer Geisterebene. Das ist ein unsinniges Risiko, Anna. Wir wissen nicht, welche Form Belinda angenommen hat. Williams hat
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