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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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Schlechte entschieden hat, das Gottes Wesen von Grund auf entgegengesetzt ist.“
    „Und wenn er sich von Gottes Weg entfernt, droht ihm ewige Verdammnis.“
    Ich formulierte das nicht als Frage, sondern als Feststellung einer schrecklichen Wahrheit, die mir nun dämmerte. Was, wenn Annabell meinetwegen ewige Verdammnis erwartete?
    Doch McCandle überraschte mich wieder einmal, indem er entgegnete:
    „Einige mögen hier noch immer anderer Meinung sein, aber wenn ich an eines, was den Menschen nach dem Tod erwartet, nicht glaube, dann ist es ewige Verdammnis. Ich glaube, dass alle Menschen – ich wiederhole ausdrücklich: Alle -, vielleicht sogar alle Lebewesen, ein fortdauerndes Leben in Gottes Herrlichkeit erfahren.“
    „Und wie kommen Sie dazu? Ich dachte immer, die Hölle wäre in Ihrer Lehre notwendig, um die Menschen von bösen Taten abzuschrecken. Wenn alle in den Himmel kommen, heißt das doch, dass es egal ist, was sie im Leben anstellen.“
    „Ich komme vor allem dazu, weil ich Gott als den himmlischen Vater, als Liebe und Barmherzigkeit betrachte. Dazu passte es nicht, wenn er für einen Teil seiner Geschöpfe ewige Verdammnis vorsähe.
    Wer die Geschichte von der Hölle und dem endgültigen Fall von Engeln oder Menschen aus einem paradiesischen Urzustand erzählt, verkennt meines Erachtens zudem die Glorie Gottes. Ein Geschöpf kann nur die falsche Wahl treffen, wenn es die bessere Alternative nicht erkennt. Ein Geschöpf, das in der Gegenwart Gottes lebt und erkennt, wie Gott ist, soweit es einem geschaffenen Intellekt möglich ist, und das somit erkennt, dass Gott sein höchstes Gut, seine perfekte Glückseligkeit darstellt, wird sich nicht für ein geringeres, bloß vermeintliches Gut – etwa Ruhm, Macht, Leibesfreuden – entscheiden, sondern sich voll auf Gott ausrichten. Die ewige Verdammnis scheitert also nicht erst an Gottes Liebe und Barmherzigkeit, sondern bereits daran, dass der Fall und die damit einhergehende Erbsünde unplausibel sind.
    Selbstverständlich ist unser irdisches Leben aber kein Paradies. Unser Handeln entspricht oft nicht dem Maßstab der Gottesebenbildlichkeit. Denn wo die Gottes-Erkenntnis fehlt, wie es im irdischen Leben weithin der Fall ist, passiert es, dass das Geschöpf in seinem Handeln objektiv irrt, wenn es sich für geringere Güter als Gott und seinen Weg entscheidet.
    Es ist aber fraglich, ob dem Geschöpf dieser Irrtum angelastet, also vorgeworfen werden kann, wenn der Irrtum gleichsam systemimmanent ist. Das irdische Leben zeichnet sich ja dadurch aus, dass wir Gott nicht zweifelsfrei erkennen. Da Gott die Schöpfung in der Weise eingerichtet hat, die wir vorfinden, trägt er, wenn wir annehmen, dass er allmächtig und allwissend ist, die letztendliche Verantwortung für ihren Zustand und für ihr Geschick, für alles Gute aber auch für jeden Mangel an möglicher Vollkommenheit, für das natürliche Übel und für menschliche Fehler, das moralische Übel. Wo er im irdischen Leben das Licht seiner Gnade zurückhält, das den Menschen auf den richtigen Weg führen würde, trifft ihn der Vorwurf eher als das Geschöpf. Verdient das Geschöpf, so betrachtet, ewige Verdammnis? Es widerspricht also auch keineswegs Gottes Gerechtigkeit, das Geschöpf anzunehmen.
    Doch sollten wir überhaupt von Vorwurf sprechen? Ich bin überzeugt, dass sich für uns am Ende zeigt, dass der Herr diese Welt aus guten Gründen so eingerichtet hat, wie wir sie vorfinden, dass er einen guten Plan verfolgt und ein höheres Gut selbst aus dem zeitweisen Mangel an Gutem hervorbringt, den irdisches Übel darstellt. Ich meine hier im Gegensatz zu antiken und mittelalterlichen Theologen, die ihrer Betrachtung die biblischen Schöpfungsgeschichten als wörtliche historische Wahrheiten zugrunde gelegt haben, vorrangig einen Mangel im Hinblick auf noch nicht verwirklichte Vollkommenheit, nicht eine Verminderung oder Entziehung. Denn das Gute ist, wie gesagt, vielfach ursprünglich noch nicht vorhanden gewesen. Der Mangel ergibt sich aus dem Vergleich mit dem Leben im endgültigen, noch zu erreichenden Zustand.“
    „Dem paradiesischen Leben im postmortalen Garten Eden?“
    „Metaphorisch gesprochen ja – wobei Sie diesen endgültigen Zustand nicht als zeitlich nachfolgend verstehen müssen. Unser unsterbliches Leben wird vermutlich nicht innerhalb desselben Zeit-Raum-Gefüges weitergehen, in dem unser irdisches Dasein sich abspielt, sondern außerhalb dieser Zeit und, sofern dort noch

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