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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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ausschließlich: Der Mensch ist nicht von Grund auf schlecht. Er hat die Fähigkeit zum Guten wie zum Schlechten. Und wir richten die Augen auf die Opfer und fragen: Wie kann der Herr dieses Unrecht zulassen? Wenn er doch ein guter Gott der Gerechtigkeit und Liebe ist, wie kann er das Unrecht dulden?
    Wir müssen noch einen Schritt weiter gehen und das Augenmerk auch auf die Täter richten: Wie kann Gott zulassen, dass diese Täter sich so weit von der Gottesebenbildlichkeit entfernen, zu der sie doch geschaffen werden? Nehmen sie durch ihre Taten nicht Schaden? Denn, was geschieht, wenn ein Mensch einem Anderen Gewalt antut? Das Opfer erleidet Schaden, hier mehr am Körper, dort mehr in der psychischen Gesundheit. Doch auch der Täter erleidet Schaden, Schaden an seiner Seele, der spirituellen Form seiner unsterblichen Person. Der Täter wird vergiftet von seiner eigenen Tat. Machtmissbrauch und seine Folgen – eine ewige Wahrheit: Der Ring des Gyges von Lydien oder Saurons Ring der Macht verleiten ihre Träger und verderben sie; um einen Horcrux herzustellen und die Person zu spalten, braucht es einen Mord.
    Und wenn wir von Tätern sprechen, müssen wir an dieser Stelle nicht auch auf uns selbst schauen? Gut, wir mögen keine Mörder und Gewaltverbrecher sein, aber ist unser Verhalten nicht auch oft von dem Streben nach dem eigenen Vorteil auf Kosten anderer geprägt?“
    Wieso nur hatte ich das Gefühl, dass McCandle in diesem Moment gerade mich ansah und zu mir sprach? Er konnte unmöglich ahnen, was ich mit Annabell vorgehabt hatte.
    „Denken wir nur an die kleinen Dinge im Alltag: An das böse Wort über den anderen, um ihn verächtlich zu machen und die eigenen Leistungen oder die eigene Großartigkeit herauszustellen. Denken wir an die List, die Täuschung, die Lüge, um das zu bekommen, was wir haben wollen.“
    Wieder fühlte ich mich beobachtet. Wie machte er das? Es musste Einbildung sein.
    „Warum lässt der Herr zu, dass wir so anders sind, als er ist, uns auf Erden so anders verhalten, als es ihm entspricht? Warum lässt er zu, dass wir Dinge wollen und tun, die nicht gut für uns sind?
    Wir können diese Frage nicht mit Sicherheit beantworten, sondern nur mutmaßen: Die Schöpfung zur Gottesebenbildlichkeit ist kein historisches Ereignis in der Urzeit der Menschheit. Sie bezieht sich auf den einzelnen Menschen und ist von der Geburt an bis zum Tode und über den Tod hinaus in vollem Gange. Denn was ist Schlechtigkeit? Sie ist keine positive Eigenschaft. Sie ist nicht mehr als der Mangel an Vollkommenheit, wenn auch mit ganz realen Folgen. Der Mensch hat bereits in diesem irdischen Leben eine solche Nähe zum Guten, dass er sich oftmals gut und richtig verhalten kann. Seine Distanz zum Guten und zu seiner eigenen Vollkommenheit ist auf der anderen Seite groß genug, als dass er die böse Tat begehen kann.
    Eine wesentliche Komponente des Prozesses der Schöpfung zur Vollkommenheit ist das Mysterium des freien Willens, über den der Mensch weit mehr als jedes Tier verfügt. Der Herr erhält die Welt fortwährend in der Existenz und lenkt ihr Geschick. Ohne dass er es zulässt, geschieht nichts. Seiner Vorsehung unterliegt auch das Leben des Menschen. Der Mensch unterliegt objektiv einer Vielzahl von Einflüssen, Trieben und Zwängen – biologischen und sozialen, um nur zwei Kategorien zu nennen. Aber die Vorsehung des Herrn belässt dem Menschen im irdischen Leben auch Freiraum, zumindest das subjektive Erlebnis von Freiraum. Gott zeigt sich ihm nicht in deutlicher Klarheit, drängt sich seinem Intellekt nicht auf. Das Bewusstsein des Menschen erlebt sich als frei, zu entscheiden, worauf es seinen Willen richtet. Würde Gott das Bewusstsein in zweifelsfreier Klarheit ausfüllen, so würde der Wille des Menschen sich allein auf ihn richten, auf seine unendliche Schönheit, Güte und Liebe. Das irdische Leben, wie wir es kennen, die vielen verschiedenen Wünsche, Sehnsüchte, Ziele der Menschen, die auch zu schlechten Handlungen führen können, wären nicht mehr. Wenn es in dieser Welt aber keine leidvollen Konsequenzen schlechter Taten gäbe, z. B. der Schuss zwischen die Augen nicht zum Tod des Opfers führte, gäbe es keine unethischen Taten und in der Folge auch keine ethisch wertvollen Taten. Die moralische Erfahrung des Menschen – etwas das ihm, soweit wir wissen, vor allen anderen Lebewesen eigentümlich ist – wäre nicht möglich. Es gäbe ohne Leid ferner keine Möglichkeit, Leid zu

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