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Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)

Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)

Titel: Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Seidl , Stefan Rosenboom
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Anni hat den Stall betreten, die Heimat ihrer Tiere, die sie liebt, verzieht und dann schnell und fast schmerz los tötet. Aber es gibt auch Ausnahmen wie zum Beispiel die große Ente, die sie »Madame« oder »Fräulein« nennt. Etwas lieblos packt die Anni das weiße Prachtvieh am Hals, zieht es raus aus seinem kleinen Extrastall, streichelt ihm über den Kopf. Amüsiert lässt sie sich von dem Tier in die Finger zwicken und erzählt dabei die Geschichte von einer ganz besonderen Ente:
    Die Ente ist jetzt sechs Wochen alt und hat bei uns drei Wochen lang in der Stuben mit gelebt. Eigentlich hab’ ich acht Eier im Brutapparat gehabt, aber nur eines ist ausgeschlupft und die anderen sieben waren licht, also da war nichts. Ja, und die eine Ente ist praktisch wie unser Kind geworden. Die hat sogar bei uns Fernsehen mitgeschaut und ihren Kopf die ganze Zeit aus der Schachtel rausgestreckt. Bei uns heißt sie »Madame«, weil sie ein Weiblein ist. Nach drei Wochen hat die kleine Ente dann doch in den Stall müssen und da hat sie Zeter und Mordio geschrien, den ganzen Tag. Da hat sie mir schon leidgetan und dann habe ich mich einfach zu ihr in den Stall reingesetzt, bis sie sich dran gewohnt hat. Die Madame ist mein Liebling, die läuft mir immer nach wie ein kleiner Hund, überall wo ich hingehe. Die anderen Enten akzeptiert sie nicht, nur mich. Die Madame schlachte ich nicht, die bleibt zur Zucht. Ab und zu habe ich schon etwas behalten, was mir leidgetan hat, zum Beispiel den Fasan da drüben. Den habe ich als Junges gekriegt und jetzt ist er schon zehn Jahre alt. Der ist für nichts gut, er kriegt halt von mir sein Gnadenbrot, der boshafte Teufel. Aber die Madame muss jetzt wieder zurück in ihren Stall. Ja, du gehst ins Bett, Fräulein, du bist ja ganz nass, hast du wieder so viel mit dem Wasser rumgespritzt, du Madame, du?
    Entschlossen packt die Anni ihre anhängliche Madame am Hals und setzt sie zurück in ihren Stall. Ein kurzer Gang zu den Hühnernestern ist erfolgreich: Sechs Eier steckt Anni in ihre Schürzentaschen, die erste Arbeit für heute ist verrichtet.
    Derweil ist der Alois aufgestanden, hat eine Tasse Kaffee getrunken und dazu ein Stück vom ersten Christ stollen gegessen. »Im Winter stehe ich nicht so früh auf, wenn es nicht sein muss«, sinniert er am Küchentisch. »Wenn es auch kalt ist, kann man nichts machen«, fügt er sich in sein Winterschicksal und wippt dabei leise mit seinen Schuhen. Nach dem Frühstück steht er wort los auf, dreht sich 180 Grad um die eigene Achse und schafft es so, genau auf seinen Platz am Kanapee zu gelangen, seine Ecke, in die die Anni oder ein Besucher sich nie setzen würden. Frischen Wind bringt die Anni hinein, die jetzt vom Hühnerstall zurückkommt, mit Schwung und voll in Fahrt. »Bist du auch schon aufgestanden?«, fragt sie – noch halb in der Türe stehend. Der Alois klopft sich lässig mit einer weißen Papierrolle auf den Oberschenkel und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. »Haargenau«, antwortet er bedächtig, »weil die Sonne schon scheint.« – »Und hast du schon gefrühstückt?«, interessiert die Anni sich weiter. »Jawoll«, kommt es fast im militärischen Tonfall aus der Alois-Ecke zurück, »aber der Stollen, der bröselt so. Ein Kuchen wäre mir praktisch lieber gewesen«, schließt er seine morgendlichen Überlegungen ab.
    Während die Anni in der Stube rumwirbelt, wäh rend sie sein Frühstücksgeschirr abräumt und seine Brösel vom Tisch wischt, verfolgt der Alois alles genau. Sein Blick folgt Anni wie einem unruhigen Punkt, den man nicht festhalten kann. Genau so, als würde der Alois see lenruhig am Fenster stehen und zusehen, wie der Wind draußen durch die Bäume fährt. »Ich kann jetzt praktisch nichts tun«, resümiert er nach einer Minute Zuschauen. »Nein«, bestätigt ihn die Anni, »du kannst ja morgen auch was tun«, sagt sie ganz mitfühlend, weil ihr auch nichts an Arbeit für den Alois einfällt.
    Sie selbst wirbelt weiter, nimmt den Einkaufszettel, holt eine große Plastiktüte, zieht sich ihre riesigen Turnschuhe an und ausnahmsweise auch mal eine Strickjacke, grellrot. Dann ist sie zur Stubentür hinaus. In der Wagenhalle klettert sie gelenkig auf den Traktor, ein Uraltmodell der Marke »Fritzmeier«, fackelt nicht lange und wirft den Motor an. Ein Auto haben Anni und Alois nie besessen, auch weil dafür und für den Führerschein nie genügend Geld da war. So machen sie bis heute alle Einkäufe, alle Arzt- und

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