Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)
Wichtigste, was es gibt«, sinniert sie über ihre modernen Helfer, »ich hab’ drei Gefriertruhen, die eine hat 100 Liter, die andere 360 Liter und die dritte 200 Liter. Und die brauch’ ich sauber im Winter«, erklärt sie weiter. »Piep, piep, piep«, meldet sich der neue Klotz in Weiß wieder, als ob er zustimmen würde. Aber die Anni ist ziemlich schwerhörig und wenn sie mal so im Redefluss ist und ihre Geschichten erzählt, dann hört sie kaum mehr etwas.
»Früher hat man gar nichts einfrieren können«, erin nert sich die Anni. »Da hat man entweder alles in Dosen getan oder in Gläser eingeweckt. Das Fleisch hat man eingepökelt. Aber ich friere jetzt seit Jahren alles ein, was ich brauche. Das ganze Grünzeug für meine Hennen, Oregano, Petersilie, Schnittlauch, Fenchel, Karotten, das friere ich ein und dann kriegen meine Hennen auch im Winter was Gescheites zum Fressen. Dann werden die Eier schön gelb und nicht so blass wie der Tod von Altötting«, führt sie ihre Erklärung zu Ende und schließt die Gefriertruhe, was diese mit einem letzten schwachen »Piep, piep, piep« goutiert.
Die Anni ist eine Expertin der Gefrierkunde. Denn Einfrieren ist nicht gleich Einfrieren, und die Anni weiß sogar, wie man flüssige Hühnerbrühe einfriert: »Die Brühe tue ich in einen Topf und stelle sie in eine leere Gefriertruhe, ganz unten. Kurz bevor sie ganz gefroren ist, hole ich mir die Gefriertüten. Dann tue ich sie aus dem Topf raus, rein in die Tüten und habe das ganze Jahr Hühnerbrühe. Die ist gut«, da ist Anni überzeugt, »vor allem im Winter gegen Grippe.«
In Annis Gefriertruhen findet sich so manches, wie zerstückelte Hühner, Enten und Gänse, Gehobeltes oder sogar ganze Tomaten. »Wenn ich nichts einfriere, dann muss ich alles kaufen. Und bei 550 Euro im Monat kann man nicht mit dem Geld umeinanderhauen und alle Augenblick’ fortlaufen zum Einkaufen«, erklärt sie überzeugt ihre eiserne Sparphilosophie.
Überhaupt ist Einfrieren auch praktischer, meint sie noch. Denn »Rumbatzeln« nur wegen ein paar Semmel knödeln, zum Beispiel, so was fängt sie gar nicht an. Das muss schon eine gescheite Portion sein, ja zwanzig Knödel, das lohnt sich eher zum Kochen. Den Teig dafür macht die sparsame Anni auch nicht mit Hühner eiern, sondern mit Enteneiern, die sie nicht verkaufen kann, weil sie keiner will. Schmeckt genauso gut – da ist sie sich sicher. Von den zwanzig Knödeln werden dann zwei gegessen und 18 eingefroren. Genauso wie sie das Blaukraut nur einmal in einer großen Menge hobelt und hauptsächlich in Gefrierbeuteln lagert. Ente, Blaukraut und Knödel – so ein wunderbares, wohl schmeckendes und selbst gemachtes Sonntagsessen kommt bei der Anni komplett aus der Gefriertruhe, da ist die Selbstversorgerin ganz unromantisch.
»So, jetzt geh’ mit rauf«, winkt sie mir zu und geht schon Richtung Hausgang. Der Alois dagegen bleibt auf dem Sofa sitzen mit seinen Zigaretten. Die Kappe auf dem Kopf, ruhig, vor sich hin pfeifend – wie immer fast tonlos. Er kennt ja sowieso alles schon und außer halb der Stube ist für ihn ab Herbst Alarmstufe Rot, das heißt: überall viel zu kalt.
»Ist es kalt oben?«, frage auch ich die Anni. Und schon in dem Moment, wo ich frage, ist mir klar, dass ich mir das genauso gut hätte sparen können. Denn die Anni über Kälte und Wärme zu fragen, ist bekanntermaßen wie von einem defekten Thermometer die Temperatur ablesen zu wollen. Denn wer im kurzärmeligen T-Shirt im Januar im offenen Traktorhäuschen zwei Kilometer ins Dorf fahren kann, der muss eine Art Eskimo sein, der in Bayern wiedergeboren worden ist.
»Nein, da ist es nicht kalt«, antwortet sie beruhigend und marschiert los über die Stiege rauf. Im ersten Stock im Gang hat die Anni heuer etwa drei Zentner von ihren Apfelsorten in Obstkisten gelagert. Meist völlig unorthodox und unpoetisch mit einem dicken Permanent Marker beschriftet – rund um den Stiel der Frucht. So kann Anni die verschiedenen Sorten auseinanderhalten und schälen muss sie die Äpfel zum Essen sowieso. Denn mit ihren drei Zähnen kann sie ihre geliebten Äpfel nur gerieben essen.
»Santana«, »Ravenna«, »Gerlinde«, »Topaz« – etwa 70 Sorten Äpfel lagert die Anni in dem kalten Gang, der in einem ungewöhnlichen Moosgrün gestrichen ist. Sechs Türme aus aufeinandergestapelten Obstkisten – das ist die Belohnung für wochenlange Arbeit in ihrem Obstgarten. Kleine Äpfel, große, grüne, rote,
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