Annie und der sinnliche Italiener
geplatzten Lebenstraum in die Schuhe zu schieben“, erinnerte er sie bitter. „Dabei tue ich doch alles, um diesen Fehler …“
„Fehler?“ Annies Stimme klang wie geborstenes Glas. „Du nennst Oliver einen Fehler?“
„Das habe ich nicht gesagt.“
„Oh, doch!“
„Nein! Außerdem übertreibst du maßlos.“
„So reagieren Mütter, wenn jemand ihr Kind angreift oder kritisiert!“
„Ich würde weder meinen Sohn noch seine Mutter attackieren.“
Meinen Sohn! Seine Mutter! Nicht Oliver und Annie …
„Geh jetzt, Luc. Ich habe langsam wirklich Hunger und möchte endlich duschen und mich umziehen.“
Er hatte sie verletzt, das war nicht zu überhören. „Glaub mir, Annie, ich wollte dir nie wehtun.“
„Zu spät.“
Als er die Tränen in ihren Augen sah, verfluchte er sich innerlich. Er trat noch näher an Annie heran und streckte eine Hand aus. „Annie …“
„Fass mich bitte nicht an“, bat sie mit bebender Stimme. „Du willst doch nicht, dass ich noch völlig die Fassung verliere.“
„Ich glaube, meine Schultern sind stark genug, um das auszuhalten“, sagte er rau.
„Da bin ich mir sicher …“, murmelte Annie erstickt, „… aber mein Selbsterhaltungstrieb nicht.“
Sekundenlang starrte er sie wortlos an. Als er gestern überraschend erfahren hatte, dass Annie einen Sohn hatte, war er völlig perplex gewesen – und außer sich vor Wut, sobald er im Internet das Geburtsdatum und Fotos des kleinen dunkellockigen Jungen gesehen hatte. Sie bewiesen eindeutig, dass Oliver auch sein Sohn war.
Doch erst jetzt begann ihm langsam zu dämmern, was seine entschiedene Reaktion auf diese Entdeckung – sprich: seine ultimative Forderung nach einer Heirat – für Annie bedeuten musste. Wenn sie tatsächlich einwilligte, würden Oliver und sie alles verlieren, was Annie liebte und was sie in den letzten viereinhalb Jahren für sich und ihren Sohn erkämpft hatte. Ihre Familie, ihren Job, das gewohnte Umfeld.
Und all das, um ein Leben zu führen, das sie offensichtlich nicht wollte.
Aber wie könnte die Alternative zur Heirat aussehen, wenn Oliver zu einem Teil seines Lebens werden sollte? Er war sein Sohn … sein Erbe!
Luc konnte und wollte seinen Plan nicht einfach aufgeben, nur weil Anna Balfour bei dem Gedanken, seine Frau zu werden, ein paar Tränen verdrückte.
„Wenn du runterkommst, zeige ich dir mein Arbeitszimmer, damit du deine Mutter anrufen kannst.“
Annie hielt den Blick gesenkt. „Danke“, murmelte sie rau.
„Wofür?“, fragte er, unerklärlicherweise gereizt. „Dafür, dass ich dich mein Telefon benutzen lasse?“
„Nein.“ Als sie die tränenfeuchten Augen zu ihm aufschlug, spürte Luc ein seltsames Ziehen in der Herzgegend. „Dafür, dass du mir meine Selbstachtung lässt.“
Er schluckte heftig und kämpfte gegen das Verlangen an, Annie in seine Arme zu reißen, ihr Trost zu spenden und alle Bedenken und albernen Vorbehalte einfach wegzuküssen. Verdammt! Sogar mit tränenfeuchten Wangen und geröteten Lidern war sie unwiderstehlich.
„Willst du mir nicht endlich glauben, dass ich nicht länger der unverantwortliche, junge Kerl bin, der dich damals hat fallen lassen, Annie?“
„Warum sollte ich das glauben?“, fragte sie ohne einen Anflug von Ironie.
„Das ist eine lange, unrühmliche Geschichte, die mich ziemlich mies dastehen lässt.“
Angesichts der ungewohnten Selbstanklage lächelte sie schwach. „Vielleicht willst du sie ja eines Tages mit mir teilen.“
„Mag sein. Ich treffe dich dann nachher auf der Terrasse und bringe dich in mein Arbeitszimmer.“ Damit drehte er sich auf dem Absatz um und ging. Eines stand fest: Wenn er Annie den Wechsel von dem ungestümen Leichtfuß von damals zu dem Mann begreiflich machen wollte, der er heute war, kam er nicht umhin, ihr auch von den dunklen Zeiten zu erzählen. Von den Zeiten, als sein Vater den Herzanfall erlitten hatte. Und dann würde sie wissen, dass er es war, der ihn fast in den Tod getrieben hatte …
„Welches Gefährt hast du denn nun für unseren Ausflug auserkoren?“, fragte Annie leichthin, als die köstlichen kalten Speisen verzehrt waren, die Lucs Haushälterin ihnen auf der beschatteten Terrasse neben dem Pool serviert hatte.
Das Telefonat mit Tilly war so knapp wie möglich ausgefallen. Sie hatte ihrer Mutter nur erzählt, sie hätte zufällig einen alten Bekannten getroffen, der sie für einige Tage in sein Landhaus nahe Venedig eingeladen hatte. Wie erwartet, hatte
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