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Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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du dein altes Zimmer wiederhaben, ist das nicht schön?
    Oder sollte sie aus Barmherzigkeit lügen?
    Papa findet es so spannend, in Afrika zu arbeiten. Er möchte noch ein bisschen dort bleiben. Vielleicht fahren wir irgendwann mal hin und besuchen ihn, wie würdet ihr das finden?
    Ellen drückte Poppy an sich, rollte sich zusammen und schloss die Augen.
    »Schlaf schön«, sagte Annika und löschte die Bettlampe des Mädchens.
    Das Wohnzimmer lag im Halbdunkel. In den Fensternischen leuchteten warm und gelb zwei kleine Lämpchen, die die letzte Untermieterin zurückgelassen hatte. Der Fernseher lief ohne Ton. Anscheinend sprach Leif GW Persson über das »Verbrechen der Woche«, eine Sendung, die sie sonst nie verpasste. Die blonde Frau, die seine Gesprächspartnerin war, sagte etwas in die Kamera, ein Filmbeitrag wurde eingespielt. Man sah die beiden durch kilometerlange Reihen von Ordnern und Verneh­mungs­protokollen gehen. Ist wahrscheinlich das Palme-Archiv, dachte Annika und griff nach ihrem alten Handy. Keine versäumten Anrufe oder Mitteilungen.
    Mit dem Telefon in der Hand setzte sie sich auf das Sofa und starrte die Wand hinter Leif GW Persson an. Auf dem Redak­tions­handy hatte Schyman ununterbrochen angerufen, und jemand mit einer anderen Nummer, die sie nicht kannte, wahrscheinlich Halenius, nachdem sie den Konferenzraum Grodan verlassen hatte. Irgendwann hatte sie es ausgeschaltet und, als sie zu Hause war, ihr Festnetztelefon ausgestöpselt. Die Nummer ihres Privathandys hatte fast niemand außer Thomas und Anne Snapphane. Und jetzt lag es in ihrer Hand wie ein toter Fisch.
    Trotz des Halbdunkels waren alle Farben klarer als sonst. Sie spürte ihren Pulsschlag. Jeder Atemzug war ihr bewusst.
    Was sollte sie tun? Sollte sie davon erzählen? Konnte sie es erzählen? Wem? Wem musste sie es sagen? Ihrer Mutter? Thomas’ Mutter? Sollte sie nach Afrika fahren und ihn suchen? Wer kümmerte sich dann um die Kinder? Ihre Mutter? Nein, sie konnte ihre Mutter nicht anrufen. Oder doch? Wie wäre das?
    Sie rieb sich das Gesicht mit den Handflächen.
    Barbro würde sich aufregen. Sie würde in Selbstmitleid zerfließen. Alles so anstrengend . Das Gespräch würde damit enden, dass Annika sie tröstete und sich entschuldigte, ihr diese Unruhe bereitet zu haben. Wenn ihre Mutter nicht betrunken war, wohlgemerkt, sonst würde sie überhaupt nichts Vernünftiges aus ihr herausbekommen. In keinem Fall aber würde es ein gutes Gespräch sein, und das lag nicht an Thomas oder Afrika, sondern an etwas ganz anderem.
    Barbro hatte Annika nie verziehen, dass sie nicht zur Hochzeit ihrer Schwester Birgitta nach Hause gekommen war. Birgitta hatte Steven (der seinem Namen zum Trotz so schwedisch war wie Knäckebrot) in der heißen Phase der amerikanischen Präsidentschaftswahlen geheiratet, und Annika hatte ihren frisch angetretenen Korrespondentenposten für ein Fest im Gemeinde­haus Hälleforsnäs weder verlassen wollen noch können.
    »Das ist der wichtigste Tag im Leben deiner Schwester«, hatte ihre Mutter von ihrer Wohnung in Tattarbacken über den großen Teich geschluchzt.
    »Weder du noch Birgitta seid zu meiner Hochzeit gekommen«, hatte Annika gekontert.
    »Ja, aber du hast doch in Korea geheiratet!« Verständnislose Indignation.
    »Na und? Wie kommt es eigentlich, dass alle Entfernungen für mich immer viel kürzer sein sollen als für euch?«
    Mit Birgitta hatte sie nach der Hochzeit nicht mehr gesprochen. Auch davor schon selten, um ehrlich zu sein, seit sie mit achtzehn von zu Hause ausgezogen war.
    Berit konnte sie auch nicht anrufen. Natürlich würde die dichthalten, aber es kam ihr unfair vor, der Kollegin das Wissen um eine verschwundene EU -Delegation aufzubürden.
    Thomas’ Mutter, Doris, musste sie natürlich informieren. Aber was sollte sie schon sagen? Dein Sohn geht seit ein paar Tagen nicht mehr ans Telefon, aber ich hab mir keinen Deut Sorgen ge­macht, weil ich dachte, er vögelt bloß in der Weltgeschichte rum?
    Sie stand vom Sofa auf, das alte Telefon noch immer in der Hand, und ging in die Küche. Ihre letzte Neuanschaffung, ein elektrischer Adventsleuchter von Åhléns am Fridhelmsplan, leuchtete schwach im Küchenfenster. Kalle hatte ihn ausgesucht. Ellen hatte gerade eine Engelphase und Kühlschrankmagneten in Form von Putten gekauft. Auf der Anrichte stand noch das Geschirr mit den Resten des indischen Essens, das sie geholt hatte. Sie schaltete das Licht ein und begann methodisch die

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