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Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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dem Sofa vor und zurück, die Arme um sich geschlungen.
    »Arme, arme Annika, warum kriegst immer du alles ab? Du liebe Güte, tust du mir leid. Armes Ding …«
    Es fühlte sich gut an, bedauert zu werden.
    »Und armer Kalle, dass er jetzt ohne Vater aufwachsen muss. Hat Thomas eine Lebensversicherung?«
    Annika hörte auf zu weinen, antwortete nicht.
    »Und Ellen, sie ist doch noch so klein«, fuhr Anne fort. »Wie alt ist sie? Sieben? Acht? Sie wird sich ja kaum an ihn erinnern können. Lieber Himmel, Annika. Was machst du denn jetzt?«
    »Lebensversicherung?«
    »Das soll jetzt nicht zynisch klingen, aber in solchen Situa­tionen muss man auch ein bisschen praktisch denken. Du solltest deine Papiere durchgehen und dir einen Überblick über deine Situation verschaffen. Das ist nur ein kleiner wohlgemeinter Ratschlag. Soll ich rüberkommen und dir helfen?«
    Annika legte die Hand über die Augen.
    »Danke, vielleicht morgen, ich glaube, ich gehe jetzt am besten schlafen. Es war ein harter Tag.«
    »Ja, natürlich, du Arme, das verstehe ich. Ruf mich an, sobald du etwas hörst, versprich mir das …«
    Annika murmelte etwas, das man als Bestätigung verstehen konnte.
    Sie blieb noch eine Weile auf dem Sofa sitzen, das Telefon in der Hand. Leif GW Persson war längst nach Hause gegangen, und die hübsche dunkle Frau von den Spätnachrichten hatte seinen Platz eingenommen. Sie zeigten aus ganz Schweden Bilder vom Schneechaos, eingeschneite Sattelschlepper und überarbeitete Abschleppdienste und das Dach einer Tennishalle, das nachgegeben hatte. Sie griff nach der Fernbedienung und schal­tete den Ton ein. Es sei ungewöhnlich, dass schon im November so viel Schnee fiel, aber nicht einmalig, berichtete die dunkle Schönheit. Sowohl in den 60er als auch in den 80er Jahren hätten sich in Schweden vergleichbare Szenarien abgespielt.
    Sie machte den Fernseher aus, ging ins Bad und putzte sich die Zähne, dann spritzte sie sich eiskaltes Wasser ins Gesicht, um am nächsten Morgen nicht völlig verquollen auszusehen.
    Mit schmerzenden Gliedern legte sie sich auf Thomas’ Seite vom Bett.
    *
    Nachdem sie die Kabelbinder an unseren Handgelenken aufgeschnitten hatten, fielen wir nicht mehr so oft hin.
    Es war eine große Erleichterung.
    Der Mond stand am Himmel. Wir gingen im Gänsemarsch. Wie auf einer dunkelblauen Fotografie mit Silberrändern trat die Landschaft um uns herum dreidimensional hervor: stachelige Büsche, große Termitenhügel, vertrocknete Bäume, scharfe Fels­blöcke und am Horizont die fernen Berge. Ich weiß nicht, ob man die Gegend als Savanne oder Halbwüste bezeichnet, aber sie war unwegsam und rau. Magurie, der Franzose, ging voran. Er hatte sich selbst zu unserem Anführer ernannt. Keiner von uns hatte seinem Beschluss widersprochen. Hinter ihm ging der Rumäne, dann kamen Catherine und ich, der Däne und Alvaro, der Spanier, und als Letzte stolperte die Deutsche hinterher. Sie jammerte und weinte, es war richtiggehend würdelos.
    Catherine hatte Schwierigkeiten beim Gehen. Kaum hatten wir den LKW hinter uns gelassen, war sie umgeknickt und hatte sich das linke Sprunggelenk verletzt. Ich stützte sie, so gut ich konnte, aber mir war schwindelig, und ich hatte solchen Durst, dass ich kurz vor einer Ohnmacht war. Eine große Hilfe bin ich also wohl kaum gewesen, fürchte ich. Andauernd blieb ich an den Dornen im Gebüsch hängen und hatte bald einen tiefen Riss in Hose und Haut unter dem rechten Knie.
    Bei Tageslicht hatte ich aus dem Auto so gut wie keine Tiere gesehen, nur eine einsame Antilope und wohl ein Warzenschwein, aber die Nacht war voll von schwarzen Schatten und glü­henden Augen.
    »Ich verlange zu erfahren, wohin wir gebracht werden!«
    Trotz allem muss ich dem Franzosen Sébastien Magurie für seine Beharrlichkeit meine Hochachtung aussprechen.
    »Ich bin französischer Staatsbürger, und ich bestehe darauf, mit meiner Botschaft zu sprechen.«
    Sein Englisch hatte einen beinahe komischen französischen Akzent. Zwischen seinen Ausbrüchen vergingen selten mehr als fünf Minuten. Je schwächer seine Stimme wurde, umso stärker wuchs seine Entrüstung.
    »Das ist ein Verstoß gegen die Menschenrechte! Ius cogens ! Wir sind Angehörige einer internationalen Organisation, und Sie, meine Herren, machen sich eines Verbrechens gegen das Ius cogens schuldig!«
    Ich hatte nicht den blassesten Schimmer, wo wir uns befanden. Kenia? Somalia? Sie hatten uns doch nicht so weit nach Norden

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