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Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Titel: Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S G Browne
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Zunächst kann ich in der Dunkelheit nichts erkennen, dann entdecke ich die Umrisse eines Gesicht, das in den Container späht.
    »Randy!«
    Ich weiß nicht, wer mehr erschrickt - ich oder Randy. Sofort verschwindet die Silhouette hinter dem Rand des Containers.
    »Was machst du da?«, fragt eine Stimme, die jetzt näher kommt.
    »Nichts«, sagt Randy. »Ich hab nur …«
    Offensichtlich flüstert er, denn den Rest des Satzes kann ich nicht verstehen. Sekunden später starren zwei Silhouetten auf mich herab. Eine davon hebt einen langen, schmalen Gegenstand in die Höhe und sticht damit ins Innere des Containers.
    »Probier’s mal drüben«, sagt Randy und deutet auf eine Stelle.
    Der Gegenstand saust erneut herunter, diesmal dichter, und verfehlt knapp meinen Arm. Ich glaube, es handelt sich um eine Stahlstange oder um ein Stück Betonstahl. Auf jeden Fall wird es mich verletzen, wenn es ins Schwarze trifft.
    Als das Ding abermals herabschnellt, trifft es mich an der Seite, zerfetzt Kleidung und Haut und zertrümmert eine meiner Rippen.
    Garantiert Betonstahl. Drei Achtel Zoll. Angespitzt, so wie es sich anfühlt.
    Erneut saust die Stange herunter und erwischt mich am Oberschenkel. Beim nächsten Mal verfehlt sie mich zwar, aber kurz darauf durchbohrt sie meine Handfläche, und ich frage mich, ob sich Jesus am Kreuz wohl so gefühlt hat.

    Auch wenn ich keine Schmerzen habe, ist es keine schöne Empfindung. Es ist eher durchdringend als unangenehm, und ein bisschen demütigend.
    Wer noch nie in einem Müllcontainer gehockt hat, mit Maschinenöl beschmiert, während jemand mit einer angespitzten Stange aus Betonstahl auf ihn einsticht, kann das wahrscheinlich nicht verstehen.
    Ein Teil von mir möchte sogar, dass sie mich erledigen, damit das hier vorbei ist und dieses Dasein ein Ende findet, damit ich endlich frei bin von den Erinnerungen, die ich abends mit ins Bett nehme und die mich bei Tagesanbruch stets aufs Neue begrüßen, wie eine Last, die immerwährend auf meinen Brustkorb drückt. Doch wenn man mit dem eigenen Tod konfrontiert wird, setzt selbst bei einem Untoten der Selbsterhaltungstrieb ein, der ihn zwingt, ums Überleben zu kämpfen, und es ihm nicht gestattet, einfach aufzugeben. Außerdem, wenn ich schon vernichtet werde, dann nicht von der Hand einiger besoffener College-Jungs.
    Der nächste Stoß landet nur wenige Zentimeter neben meinem Kopf. Und gerade als die Stange in die Höhe schnellt, um erneut herabzusausen, ruft in der Ferne eine Stimme: »Wir haben einen!«
    Die beiden Silhouetten fahren herum und tauchen ab; schnell entfernen sich ihre Schritte. Einen Moment liege ich einfach nur da, auf seltsame Weise dankbar, dass ich noch untot bin, dann ziehe ich mich zum Rand des Containers hoch und spähe hinaus in die Nacht, in der Hoffnung, dass es nicht Rita ist, die sie gefunden haben.
    Im dunstigen Schein einer Parkplatzlaterne, gut dreißig Meter entfernt, bewegen sich mehrere Gestalten hektisch hin und her; sie wirbeln irgendwelche Gegenstände durch
die Luft und schlagen damit auf eine andere Gestalt ein, die versucht, ihnen zu entkommen. Zunächst glaube ich, dass es sich um Jerry handelt, und zu meiner Überraschung muss ich feststellen, wie sehr mich dieser Gedanke deprimiert. Dann ruft die Gestalt mit einer Stimme wie eine blubbernde Wasserpfeife: »Hilfe! Helft mir!«
    Walter. Die Verbindungstypen stürzen sich auf ihn, stoßen ihn zu Boden und schlagen auf ihn ein. Reißen einen seiner Arme ab. Dann den anderen. Innerhalb weniger Minuten ist er in seine Einzelteile zerlegt und wird unter Gejohle und Geschrei von den besoffenen Kerlen fortgeschleift. Niemand eilt ihm zu Hilfe. Weder die Polizei. Noch die Animal Control. Oder ein Atmer, der zufällig vorbeikommt. Und bestimmt kein anderer Zombie mit kaputtem Arm und kaputtem Bein.
    Ich lasse mich wieder in den Container fallen und lausche den Schreien, die langsam verhallen, bis ich mit der Stille und meinem Gefühl der Unzulänglichkeit alleine bin. Wenn man den Großteil seiner Zeit im Weinkeller der Eltern damit verbringt, eine Flasche Wein nach der anderen zu trinken und Wiederholungen von Joanie Loves Chachi zu schauen, während man langsam verwest, ist das Gefühl der Unzulänglichkeit im Preis inbegriffen.
    Das Problem ist nur: Selbst wenn ich versucht hätte, Walter zu helfen, selbst wenn ich dazu in der Lage gewesen wäre, hätte das keinen Unterschied gemacht. Denn - immer vorausgesetzt, man hätte mich nicht mit ihm zusammen

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