Ans Glueck koennte ich mich gewoehnen
Welt. Fromm geht hier von Marx’schem Gedankengut aus:
Für Marx ist der Tausch einer der ältesten Mechanismen der Wirtschaft. In früheren Zeiten jedoch war der Tausch an einen bestimmten Ort gebunden, ganz im Gegenteil zum Markt im kapitalistischen System. Das ortsgebundene Tauschsystem bot die Möglichkeit, dass sich Produzenten und Verbraucher trafen und kennenlernten. Der moderne Markt hingegen stellt keinen Treffpunkt mehr dar, sondern ist lediglich ein Mechanismus. Dieser Mechanismus löst die Frage des Bedarfs vom jeweiligen Menschen. Es wird für den Markt und nicht für einen bekannten Kreis von Verbrauchern produziert. Angebot und Nachfrage sind die entscheidenden Komponenten, die diesen Markt regeln. Dabei wird der Gebrauchswert belanglos, der Marktwert ist das Einzige, was zählt. Es ist vollkommen egal, welchen Gebrauchswert beispielsweise ein Paar Schuhe haben: Wenn das Angebot größer als die Nachfrage ist, werden die Schuhe nahezu wertlos.
Diese regulative Funktion des Marktes ist, nach Fromm, so dominant, dass sie einen tiefen Einfluss auf die Charakterbildung der Menschen ausübt. Denn mittlerweile hat nicht nur die Ware einen bestimmten Marktwert, sondern auch der Mensch. Damit ist für Fromm die Charakterorientierung, die darin wurzelt, dass wir selbst eine Ware sind und einen Tauschwert haben, die Marketingorientierung.
Heute gibt es nicht nur einen Warenmarkt, sondern auch einen Personalmarkt, auf dem sowohl Waren als auch Personen das wert sind, für das sie getauscht werden können. Zu einem bestimmten Anteil können wir vielleicht noch von einem Gebrauchswert sprechen, wenn wir annehmen, dass ein Arzt, eine Sekretärin oder ein Geschäftsführer eine bestimmte fachliche Qualifikation mitbringen muss. Nichtsdestotrotz wissen wir heute mehr denn je, dass fachliche Qualifikation nur noch bedingt etwas mit beruflichem Erfolg zu tun hat.
Es gibt sogar Coachs und Berater, die ich engagieren kann, um mir zu zeigen, wie ich sogenannte soft skills erwerbe. In diesen soft skills wird mir beispielsweise beigebracht, wie ich wirke, wie ich führe, ob mit Biss oder Empathie, wie ich mit Erfolgsdruck umgehe, wie ich eine Beförderung erreiche, wie ich mehr verdiene oder wie ich meine Potenziale gewinnbringend einsetze. Damit hängt Erfolg immer weniger von fachlicher Qualifikation, sondern er hängt vor allem davon ab, wie gut ich mich verkaufen kann. Dabei erlebe ich mich selbst als Verkäufer und als Ware.
Bin ich also mehr an meiner Verkäuflichkeit oder mehr an meinem Leben und meinem Glück interessiert? Fühle ich mich nur dann wertvoll, wenn ich gegenüber meiner Konkurrenz den höchsten Preis erziele? Versuche ich Menschen, die erfolgreich sind, nachzuahmen, um selbst Erfolg zu haben? Diese Fragen beantwortet Erich Fromm mit Ja.
Der Nachteil an der Sache ist wahrscheinlich der, dass wir dann, wenn wir keinen Erfolg haben, uns wertlos fühlen. Wenn wir glauben, dass unser Wert nicht von eigenen menschlichen Qualitäten abhängt, sondern von unserem Erfolg bei ständig wechselnden Marktbedingungen, wird unsere Selbstachtung erschüttert, und wir entwickeln das ständige Bedürfnis nach Bestätigung durch andere.
Aber die Marketingorientierung beeinflusst nicht nur unser Fühlen, sondern auch unser Denken. Denken ist dazu da, Dinge schnell zu begreifen, um sie dann mit Erfolg verwenden zu können. Von der Grundschule bis zur Universität verfolgt Lernen den Zweck, so viele Informationen wie möglich zu sammeln, um diese dann erfolgreich auf dem Markt nutzen zu können. Es geht dabei häufig nicht um Interesse oder Bildung der eigenen Person, sondern um den Tauschwert, den das Wissen vermittelt.
Die Marketing-Persönlichkeit geht davon aus, dass nur das gelernt beziehungsweise eingeübt werden muss, was einen Nutzen verspricht. Wir leben heute in einer eher utilitaristischen Gesellschaft: Wir machen das, womit wir erfolgreich sein können. Wir handeln so, um reich zu werden. Unsere Vorbilder sind die, die erfolgreich und reich sind. Setzen wir damit nicht Erfolg, Reichtum und Glück auf die gleiche Stufe? Warum gehören Menschen mit Erfolg und Geld zu unseren Vorbildern? Denken wir nicht, dass erfolgreiche Menschen auch glücklicher sind? Warum sonst hecheln wir diesen Vorbildern so hinterher?
Wenn wir uns an Aristoteles und Rousseau erinnern, ging es bei ihnen im Zusammenhang mit Glück immer auch um Tugend: um Tugenden, die eingeübt werden müssen. Wie wir wissen, ist dieser Begriff von
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