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Ans Glueck koennte ich mich gewoehnen

Ans Glueck koennte ich mich gewoehnen

Titel: Ans Glueck koennte ich mich gewoehnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Schilling-Frey
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Tugend sehr anspruchsvoll. Denn wenn wir die Tugenden einüben, wir etwa tapfer sind, geht es nicht um Nutzen, sondern darum, dass wir durch das tapfere Handeln selbst so etwas wie Glück empfinden – Glück als Nebeneffekt. Dieser wunderbare Nebeneffekt weckt den Wunsch in uns, etwas aus uns zu machen, einen tugendhaften Charakter zu entwickeln, eine Person zu bilden, ein glücklicher Mensch zu werden. Tugend ist damit weit mehr als wirtschaftlicher Nutzen.
    Erich Fromm geht davon aus, dass kulturelle und gesellschaftliche Vorbilder den Menschen nicht nur beeinflussen, sondern dass die Wechselwirkung von Gesellschaft und Mensch sehr viel tiefer geht. Denn jegliche Art von Beziehungen formt die Persönlichkeit des Individuums. Damit kann man von der Gesellschaftsstruktur auf den Menschen schließen und umgekehrt. Genauso bei Rousseau. Durch das Vermögen der Reflexion, des Verstandes, gewinnt der Mensch so etwas wie Macht über die Welt. Macht über die Natur, über Dinge, aber auch Macht über andere Menschen. Spielten vorher Gleichheit, Gleichgewicht, Balance, Einheit und Glück die entscheidende Rolle, befindet sich der Mensch jetzt im Konflikt der Gegensätze: innen und außen, ich und andere, sein und scheinen, Macht und Knechtschaft, gut und böse, Glück und Unglück. Denn der innere Mensch ändert sich durch seine Beziehung zur Außenwelt. Und diese Beziehung ist immer wechselseitig.
    Können wir wirklich so weit gehen? Entspreche ich vollkommen der Gesellschaft, in der ich lebe? Bin ich das, was die Kultur aus mir macht? Denken wir darüber nach.
    Kultivierung von glücklichem Leben
    Bisher haben wir, in Anlehnung an Rousseau und Fromm, Kultur als etwas Negatives verstanden. Auch haben wir Kultur im Sinne des Humanismus als menschliche Errungenschaften definiert. Ähnlich wie beim Glück gibt es für Kultur keine allgemeingültige Definition, da es wahrscheinlich so viele Umschreibungen von Kultur gibt, wie es Kulturen selbst gibt. Deshalb kann der Begriff von Kultur natürlich auch im Sinne von Kultur als sozial weitergegebenes Verhalten verstanden werden, was Tiere mit einschließt. Aber was könnte eine »Kultivierung von glücklichem Leben« sein? Nachdem wir so viel von kulturellen Errungenschaften wie dem Kapitalismus und seinen negativen Folgen gehört haben, können wir uns da überhaupt noch etwas Positives unter Kultur vorstellen? Starten wir einen Versuch.
    Kultur im positiven Sinn ist im Grunde eine Art Arbeit, Gestaltung oder Veränderung von etwas Vorhandenem, mit dem Ziel, ein besseres, glücklicheres Leben zu schaffen. Damit meinen wir nicht nur eine bessere Gesellschaft, ein besseres Außen, sondern auch ein besseres Innen. Eine Arbeit an uns selbst. Der Philosoph Wilhelm Schmid unterscheidet Alltags- und Hochkultur. Alltagskultur kultiviert den Umgang mit sich selbst und mit anderen. Hochkultur meint an dieser Stelle vielleicht die Galerie, das Theater, das Konzert oder den Vortrag, also Kulturereignisse, die Möglichkeiten bieten, über das eigene Leben nachzudenken. Damit hat das eine natürlich mit dem anderen zu tun, und wir gestalten unser Leben, indem wir beide Kulturen integrieren.
    Wie wir bereits bei Aristoteles sehen konnten, sind Menschen soziale Wesen, die andere Menschen brauchen, die mit anderen zusammen leben wollen und müssen. Analysen der Anthropologin Mary Stiner von Tierknochen aus verschiedenen Höhlen im Vorderen Orient zeigen sogar, dass schon unsere Vorfahren, die Frühmenschen, zusammen arbeiteten und sozial waren. Die gefundenen Tierknochen tragen die Spuren von Steinwerkzeugen, die unsere Vorfahren vor mehr als 300000 Jahren gemeinsam nutzten, um beispielsweise einen Hirsch zu erlegen.
    Jeder von uns weiß, dass wir, wenn wir sozial tätig sind, Rücksicht auf andere nehmen müssen. Wenn jeder ohne Rücksicht auf andere seine eigenen Bedürfnisse ausleben würde, wäre es nicht möglich, gemeinschaftlich zu leben. Deshalb, so denke ich, brauchen wir Kultur. Kultur muss aber nicht heißen, dass Menschen in ihrer Individualität so eingeschränkt werden, dass ein erfülltes Leben nicht mehr möglich ist. Gleichzeitig ist Kultur auch kein vorhandenes Etwas. Es gibt kein Ideal, kein Vorbild, nach dem wir leben können. Kultur befindet sich im Fluss wie die Menschen selbst. Entwickeln sich Menschen, so entwickelt sich automatisch Kultur, was bedeutet, dass wir ständig an ihr und an uns arbeiten müssen.
    Auch gibt es nicht nur eine Kultur, sondern eine Vielzahl von

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