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Ansichten eines Clowns

Ansichten eines Clowns

Titel: Ansichten eines Clowns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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lassen.«
    »Ich unternahm gerade den bescheidenen Versuch, ein Bad zu nehmen«, sagte
    ich, »sollte das vertragswidrig sein?«

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    »Ihr Humor kann nur Galgenhumor sein«, sagte er.
    »Wo ist der Strick«, sagte ich, »baumelt er schon?«
    »Lassen wir die Symbolik«, sagte er, »reden wir über die Sache.«
    »Ich habe nicht mit Symbolen angefangen«, sagte ich.
    »Egal, wer von was angefangen hat«, sagte er, »Sie scheinen also fest entschlossen, künstlerisch Selbstmord zu begehen.«
    »Lieber Herr Zohnerer«, sagte ich leise, »würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn Sie Ihr Gesicht etwas vom Hörer abwendeten - ich krieg Ihren Bieratem so
    unmittelbar ins Gesicht.«
    Er fluchte in Rotwelsch vor sich hin: »Knordenpuppe, Faikenegon«, lachte dann:
    »Ihre Frechheit scheint ungebrochen. Wovon sprachen wir noch?«
    »Von Kunst«, sagte ich, »aber wenn ich bitten dürfte: reden wir lieber übers
    Geschäft.«
    »Dann hätten wir kaum noch miteinander zu reden«, sagte er, »hören Sie, ich
    gebe Sie nicht auf. Verstehen Sie mich?«
    Ich konnte vor Erstaunen nicht antworten.
    »Wir ziehen Sie für ein halbes Jahr aus dem Verkehr, und dann baue ich Sie wieder auf. Ich hoffe, dieser Schleimscheißer in Bochum hat Sie nicht ernsthaft getroffen?«
    »Doch«, sagte ich, »er hat mich betrogen - um eine Flasche Schnaps und das, was eine Fahrt erster Klasse nach Bonn mehr kostet als zweiter.«
    »Es war Schwachsinn von Ihnen, sich das Honorar herunterhandeln zu lassen.
    Vertrag ist Vertrag - und durch den Unfall ist Ihr Versagen erklärt.«
    »Zohnerer«, sagte ich leise, »sind Sie wirklich so menschlich oder . . .«
    »Quatsch«, sagte er, »ich habe Sie gern. Falls Sie das noch nicht bemerkt haben, sind Sie blöder, als ich dachte, und außerdem, in Ihnen steckt geschäftlich noch was drin.
    Lassen Sie doch diese kindische Sauferei.«
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    Er hatte recht. Kindisch war der richtige Ausdruck dafür. Ich sagte: »Es hat mir aber geholfen.« »Wobei?« fragte er. »Seelisch«, sagte ich.
    »Quatsch«, sagte er, »lassen Sie doch die Seele aus dem Spiel. Wir könnten
    natürlich Mainz wegen Vertragsbruchs verklagen und würden wahrscheinlich
    gewinnen - aber ich rate ab. Ein halbes Jahr Pause - und ich baue Sie wieder auf.«
    »Und wovon soll ich leben?« fragte ich.
    »Na«, sagte er, »ein bißchen wird Ihr Vater doch rausrücken.«
    »Und wenn ers nicht tut?«
    »Dann suchen Sie sich eine nette Freundin, die Sie so lange aushält.«
    »Ich würde lieber tingeln gehen«, sagte ich, »über Dörfer und Städtchen, mit dem Fahrrad.«
    »Sie täuschen sich«, sagte er, »auch in Dörfern und Städtchen werden Zeitungen gelesen, und im Augenblick werde ich Sie nicht für zwanzig Mark den Abend an
    Jünglingsvereine los.«
    »Haben Sie's versucht?« fragte ich.
    »Ja«, sagte er, »ich habe den ganzen Tag Ihretwegen telefoniert. Nichts zu machen.
    Es gibt nichts Deprimierenderes für die Leute als einen Clown, der Mitleid erregt. Das ist wie ein Kellner, der im Rollstuhl kommt und Ihnen Bier bringt. Sie machen sich Illusionen.«
    »Sie nicht?« fragte ich. Er schwieg, und ich sagte: »Ich meine, wenn Sie
    annehmen, nach einem halben Jahr könnte ichs wieder probieren.«
    »Vielleicht«, sagte er, »aber es ist die einzige Chance. Besser wäre, ein ganzes Jahr warten.«
    »Ein Jahr«, sagte ich, »wissen Sie, wie lange ein Jahr dauert?« -
    »Dreihundertfünfundsechzig Tage«, sagte er, und er wendete mir wieder
    rücksichtslos sein Gesicht zu. Der Bieratem ekelte mich an.
    »Wenn ichs unter einem anderen Namen versuchte«, sagte

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    ich, »mit einer neuen Nase und anderen Nummern. Lieder zur Guitarre und ein
    bißchen Jonglieren.«
    »Quatsch«, sagte er, »Ihre Singerei ist zum Heulen und Ihr Jonglieren ist purer Dilettantismus. Alles Quatsch. Sie haben das Zeug zu einem ganz guten Clown,
    vielleicht sogar zu einem guten, und melden Sie sich nicht wieder bei mir, ehe Sie nicht mindestens ein Vierteljahr lang täglich acht Stunden trainiert haben. Ich komme dann und schau mir Ihre neuen Nummern an - oder alte, aber trainieren Sie, lassen Sie die blöde Sauferei.«
    Ich schwieg. Ich hörte ihn keuchen, an seiner Zigarette ziehen.
    »Suchen Sie sich wieder so eine treue Seele«, sagte er, »wie das Mädchen, das mit Ihnen gereist ist.«
    »Treue Seele«, sagte ich.
    »Ja«, sagte er, »alles andere ist Quatsch. Und bilden Sie sich nicht ein, Sie könnten ohne mich fertig werden und in miesen Vereinen herumtingeln. Das geht

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