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Ansichten eines Clowns

Ansichten eines Clowns

Titel: Ansichten eines Clowns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Typ, der sich, bevor er zum Papst ins Audienzzimmer geführt wird, noch rasch mit dem Taschentuch über die
    Schuhe fahren würde. Mir tat auch der Papst leid, vor dem die beiden knien
    würden. Er würde gütig lächeln und sich herzlich freuen über dieses hübsche,
    sympathische, katholische deutsche Paar - und wieder einmal betrogen sein. Er
    konnte ja nicht ahnen, daß er zwei Ehebrechern seinen Segen erteilte.
    Ich ging ins Badezimmer, frottierte mich, zog mich wieder an, ging in die Küche und setzte Wasser auf. Monika hatte an alles gedacht. Streichhölzer lagen auf dem Gasherd, gemahlener Kaffee stand da in einer luftdichten Dose, Filterpapier daneben, Schinken, Eier, Büchsengemüse im Eisschrank. Ich mache Küchenarbeit nur dann
    gern, wenn sie die einzige Chance ist, bestimmten Formen der Erwachsenen-
    gesprächigkeit zu entfliehen. Wenn Sommerwild von »Eros« anfängt, Blothert sein Ka... Ka... Kanzler ausspuckt oder Fredebeul einen geschickt kompilierten Vortrag über Cocteau hält - dann allerdings gehe ich lieber in die Küche, drücke Mayonnaise aus Tuben, halbiere Oliven und streiche Leberwurst auf Brötchen. Wenn ich allein in der Küche für mich etwas anrichten will, fühle ich mich verloren. Meine Hände
    werden ungeschickt vor Einsamkeit, und die Notwendig-
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    keit, eine Büchse zu öffnen, Eier in die Pfanne zu schlagen, versetzt mich in tiefe Melancholie. Ich bin kein Junggeselle. Wenn Marie krank war oder arbeiten ging -
    sie hatte eine Zeitlang in Köln in einem Papierwarenladen gearbeitet -, machte es mir nicht soviel aus, in der Küche zu arbeiten, und als sie die erste Fehlgeburt hatte, hatte ich sogar die Bettwäsche gewaschen, bevor unsere Wirtin aus dem Kino nach Hause kam.
    Es gelang mir, eine Büchse Bohnen zu öffnen, ohne mir die Hand zu ratschen, ich goß kochendes Wasser in den Filter, während ich an das Haus dachte, das Züpfner sich hatte bauen lassen. Vor zwei Jahren war ich einmal dort gewesen.
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    Ich sah sie im Dunkel nach Haus kommen. Der scharf gebürstete Rasen sah im
    Mondlicht fast blau aus. Neben der Garage abgeschnittene Zweige, vom Gärtner
    dort aufgehäuft. Zwischen Ginster und Rotdornbusch der Abfalleimer, zum Abholen bereit. Freitagabend. Schon würde sie wissen, wonach es in der Küche roch, nach Fisch, sie würde auch wissen, welche Zettel sie finden würde, den einen von Züpfner auf dem Fernsehapparat: »Mußte noch dringend zu F. Kuß. Heribert«, den anderen vom Mädchen auf dem Eisschrank: »Bin ins Kino, um zehn zurück. Grete (Luise,
    Birgit).«
    Garagentor öffnen, Licht anknipsen: an der weißgetünchten Wand der Schatten
    eines Rollers und einer ausrangierten Nähmaschine. In Züpfners Box der Mercedes bewies, daß Züpfner zu Fuß gegangen war. »Luft schnappen, ein bißchen Luft
    schnappen, Luft«. Dreck an Reifen und Kotflügeln kündete von Eifelfahrten,
    nachmittäglichen Reden vor der Jungen Union (»zusammenhalten, zusammenstehen,
    zusammen leiden«).
    Ein Blick nach oben: auch im Kinderzimmer alles dunkel. Die Nachbarhäuser durch zweispurige Einfahrten und breite Rabatten getrennt. Kränklich der Widerschein der Fernsehapparate. Da wird der heimkehrende Gatte und Vater als störend
    empfunden, wäre die Heimkehr des verlorenen Sohnes als Störung empfunden
    worden; kein Kalb wäre geschlachtet, nicht einmal Hähnchen gegrillt worden - man hätte schnell auf einen Leberwurstrest im Eisschrank verwiesen.
    An Samstagnachmittagen gab es Verbrüderungen, wenn Federbälle über Hecken
    flogen, junge Katzen oder Welpen wegliefen, Federbälle zurückgeworfen, junge
    Katzen - »oh, wie süß« - oder junge Welpen - »oh, wie süß« - an Gartentoren oder durch Heckenlücken zurückgereicht wurden. Gedämpft die Gereiztheit in den
    Stimmen, nie persönlich;
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    sie riß nur manchmal aus der gleichmäßigen Kurve aus und kratzte Zacken in den Nachbarschaftshimmel, immer aus nichtigen, nie aus den wahren Anlässen: wenn eine Untertasse klirrend zerbrach, ein rollender Ball Blumen knickte, Kinderhand
    Kieselsteine auf Autolack schleuderte, Frischgewaschenes, Frischgebügeltes von Gartenschläuchen genetzt wird - werden die Stimmen schrill, die wegen Betrug, Ehebruch, Abtreibung nicht schrill werden dürfen. »Ach, du hast einfach überempfindliche Ohren, nimm was dagegen.«
    Nimm nichts, Marie.
    Die Haustür geöffnet: still und angenehm warm. Das kleine Mariechen oben
    schläft. So rasch geht das: Hochzeit in Bonn, Flitterwochen in

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