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Ansichten Eines Clowns

Ansichten Eines Clowns

Titel: Ansichten Eines Clowns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Boll , Heinrich Böll
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Anlaß und Ursache«, sagte er, »ich verstehe Sie, Schnier«, sagte er, »ich verstehe Sie.«
    »Sie verstehen gar nichts«, sagte ich, »und die Folge wird ein doppelter Ehebruch
    bin wohl nicht feinsinnig und nicht Künstler, vor allem nicht christlich genug, als daß ein Prälat zu mir sagen würde: Schnier, hätten Sie's doch beim Konkubinat gelassen.«
    »Sie verkennen den theologischen Kern des Unterschieds zwischen Ihrem Fall und dem, über den wir damals stritten.«
    »Welchen Unterschied?« fragte ich, »wohl den, daß Besewitz sensibler ist - und für euren Verein eine wichtige Glaubenslokomotive?«
    »Nein«, er lachte tatsächlich. »Nein. Der Unterschied ist ein kirchenrechtlicher. B. lebte mit einer geschiedenen Frau zusammen, die er gar nicht kirchlich hätte heiraten können, während Sie - nun, Fräulein Derkum war nicht geschieden, und einer Trauung stand nichts im Wege.«
    »Ich war bereit zu unterschreiben«, sagte ich, »sogar zu konvertieren.«

    »Auf eine verächtliche Weise bereit.«

    »Soll ich Gefühle, einen Glauben heucheln, die ich nicht habe? Wenn Sie auf Recht und Gesetz bestehen - lauter formalen Dingen — warum werfen Sie mir fehlende Gefühle vor?«
    »Ich werfe Ihnen gar nichts vor.«

    Ich schwieg. Er hatte recht, die Erkenntnis war schlimm. Marie war weggegangen, und sie hatten sie natürlich mit offenen Armen aufgenommen, aber wenn sie hätte bei mir bleiben wollen, hätte keiner sie zwingen können, zu gehen.
    »Hallo, Schnier«, sagte Sommerwild. »Sind Sie noch da?«

    »Ja«, sagte ich, »ich bin noch da.« Ich hatte mir das Telefongespräch mit ihm anders vorgestellt. Um halb drei Uhr morgens ihn aus dem Schlaf wecken, ihn beschimpfen und bedrohen.
    »Was kann ich für Sie tun?« fragte er leise.

    »Nichts«, sagte ich, »wenn Sie mir sagen, daß diese Geheimkonferenzen in dem
    »Zweifellos verkennen Sie, Schnier«, sagte er, »daß Fräulein Derkums Verhältnis zu Ihnen in einer Krise war.«
    »Und da müßt ihr gleich einhaken«, sagte ich, »ihr eine gesetzliche und kirchenrechtliche Lücke zeigen, sich von mir zu trennen. Ich dachte immer, die katholische Kirche wäre gegen die Scheidung.«
    »Herrgott noch mal, Schnier«, rief er, »Sie können doch von mir als katholischem Priester nicht verlangen, daß ich eine Frau darin bestärke, im Konkubinat zu verharren.«
    »Warum nicht?« sagte ich. »Sie treiben sie in Unzucht und Ehebruch hinein - wenn Sie das als Priester verantworten können, bitte.«
    »Ihr Antiklerikalismus überrascht mich. Ich kenne das nur bei Katholiken.«

    »Ich bin gar nicht antiklerikal, bilden Sie sich nichts ein, ich bin nur Anti- Sommerwild, weil Sie unfair gewesen sind und doppelzüngig sind.«
    »Mein Gott«, sagte er, »wieso?«

    »Wenn man Ihre Predigten hört, denkt man, Ihr Herz wäre so groß wie ein Focksegel, aber dann tuscheln und mogeln Sie in Hotelhallen herum. Während ich im Schweiße meines Angesichts mein Brot verdiene, konferieren Sie mit meiner Frau, ohne mich anzuhören. Unfair und doppelzüngig, aber was soll man von einem Ästheten anders erwarten?«
    »Schimpfen Sie nur«, sagte er, »tun Sie mir Unrecht, bitte. Ich kann Sie ja so gut verstehen.«
    »Nichts verstehen Sie, Sie haben Marie ein verfluchtes, gepanschtes Zeug eingetrichtert. Ich trinke nun mal lieber reine Sachen: reiner Kartoffelschnaps ist mir lieber als ein gefälschter Kognak.« - »Reden Sie nur«, sagte er, »reden Sie - es klingt ganz, als wären Sie innerlich beteiligt.«
    »Ich bin daran beteiligt, Prälat, innerlich und äußerlich, weil es um Marie geht.«
    bung an, »und was mein Panschen betrifft, vielleicht vergessen Sie, daß manche Menschen Durst haben, einfach Durst, und daß ihnen Gepanschtes lieber sein könnte als gar nichts zu trinken.«
    »Aber in Ihrer Heiligen Schrift steht doch die Sache von dem reinen, klaren Wasser

    — warum schenken Sie das nicht aus ?«

    »Vielleicht«, sagte er zittrig, »weil ich - ich bleibe in Ihrem Vergleich - weil ich am Ende einer langen Kette stehe, die das Wasser aus dem Brunnen schöpft, ich bin vielleicht der hundertste oder tausendste in der Kette und das Wasser ist nicht mehr ganz so frisch - und noch eins, Schnier, hören Sie?«
    »Ich höre«, sagte ich.

    »Sie können eine Frau auch lieben, ohne mit ihr zusammenzuleben.«

    »So?« sagte ich, »jetzt fangen Sie wohl von der Jungfrau Maria an.«

    »Spotten Sie nicht, Schnier«, sagte er, »das paßt nicht zu Ihnen.«

    »Ich spotte gar

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