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Ansichten eines Hausschweins - Neue Geschichten ueber alte Probleme

Ansichten eines Hausschweins - Neue Geschichten ueber alte Probleme

Titel: Ansichten eines Hausschweins - Neue Geschichten ueber alte Probleme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Martenstein
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Frauenbewegtes wie »Zimmerfrau« oder »Kräuterhexe« ersetzt zu werden. Wenn man die Lehrerinnen »Lehrmädchen« nennen würde und die Aufsichtsratsvorsitzenden »Aufsichtsmädchen«, gäbe es Proteste, und sogar ich würde den Protest unterstützen. Feminismus, ein Besserverdienendenphänomen wie Pferdesport und Tupperpartys.
    Am Sonntag war es so, dass zu dem Zwerchfell- noch ein anderer Schmerz hinzukam, den ich erst nicht einordnen wollte. Ich wollte den Gedanken nicht zulassen, dass es wieder die Bandscheiben sind. Jahrelang war Ruhe an der Bandscheibenfront. Nun ist die Kombination von Husten, Zwerchfell und Bandscheibe eine extrem ungünstige Form von multiplem Organversagen, weil bei jedem Hustenanfall die Bandscheiben vibrieren und du die Glocken des Jüngsten Gerichts läuten hörst. Aber ich dachte nur, wie schreibe ich die Kolumne mit diesen Schmerzen und ohne Zigarette.
    Am Montag stand in der Zeitung was über einen französischen Politiker, der im Hotel nackt aus der Dusche kam und angeblich über das Zimmermädchen herfiel, ich dachte, nee, jetzt geht das Thema nicht mehr. Mein Instinkt hat mir das gesagt.
    Inzwischen ist Montagabend, ich stehe in der Küche, denn sitzen geht nicht, im Schlafanzug, ich tippe mit einer Hand, während ich mit der anderen eine Wärmflasche gegen meinen Rücken drücke, ich kaue Nikotinkaugummi, habe drei Diclofenac geschluckt und huste ununterbrochen. Nur ein Typ wie ich kann in diesem Zustand noch schreiben, jeder andere würde den Pfarrer rufen lassen. Dies war das »Making of«, der Hintergrund, wie man unter Journalisten sagt.
    Nun die Kolumne. Na, dann eben das nächste Mal.

Über den Süden
    Sehr geehrte Frau N., danke für Ihren Brief. Sie bringen mich doch glatt dazu, zum zweiten Mal eine Kolumne über einen Bob-Dylan-Song zu schreiben.
    Übrigens habe ich fast auf den Tag genau vor acht Jahren die erste dieser Kolumnen verfasst. Als ich so alt war, acht Jahre, fuhren meine Eltern zum ersten Mal mit mir ans Mittelmeer, nach Italien. Oder waren es überhaupt nicht meine Eltern? Sie ließen sich scheiden, etwa zu dieser Zeit. Von da an lebte ich abwechselnd bei den Großeltern und meiner Mutter und fuhr zweimal im Jahr mit meinem Vater in den Urlaub. Diese Urlaube fand ich schön, vor allem die ersten Tage. In der zweiten Woche hatte mein Vater meistens eine neue Freundin. Waren meine Eltern noch zusammen, als ich zum ersten Mal in Italien war, oder bin ich nur mit meinem Vater und seinen Freundinnen dort gewesen? An andere Details dieser Reise kann ich mich viel deutlicher erinnern als an die familiäre Konstellation, an das Zirpen der Grillen, den Duft der Bäume, deren Namen ich erst später lernte, an den Geschmack des Essens.
    In den folgenden Jahren fuhr ich oft in den Süden. Der Süden, wie soll ich es sagen, nutzte sich ab. Die Grillen zirpten, da bin ich mir sicher, genauso romantisch wie in jenem ersten Sommer. Die Grillen rackerten sich echt ab für mich. Allein, ich kannte ihr Lied. Ich kannte auch den Geschmack des Essens und den Duft der Bäume. Das beeindruckte mich nicht mehr, nicht mehr so sehr. Aus dem staunenden Knaben war ein verdammter, abgefuckter Routinier des Südens geworden, verstehen Sie? The thrill was gone. Das lag weder am Süden noch an mir, er war nicht hässlicher geworden, ich war nicht unsensibler geworden, es ist einfach die verdammte Zeit, die einem alles kaputt macht. Das Gleiche erlebte ich mit einer Freundin, mit der ich nach jahrelanger Pause wieder zusammenkam, mit Sushi, mit den Romanen von Haruki Murakami, mit Joggen, mit Übernachtungen in teuren Hotels, mit Fleischfondue, sogar mit Bob Dylan.
    Gegen den Verlust des Südens lehnte ich mich auf. Ich bin einfach nicht mehr hingefahren. Ich machte Urlaub auf Bornholm. Ich war auch in den Tropen. Ein anderer Süden, nicht der Süden, den ich meine.
    Nach ein paar Jahren Pause hatte der Süden sich, für mich, wieder ein wenig erholt. Die Grillen waren okay, super Grillen waren das. Ich konnte auch die Bäume wieder riechen, Pinien heißen sie, ich dachte, aha, ja, das ist es, aber das ist es eben nicht ganz, man bekommt es niemals zurück. Und es gibt auch keinen Ersatz, weder für den Süden noch für die erste Liebe, noch für den ersten Erfolg, den man irgendwann im Beruf gehabt hat. Das ist der wahre Schrecken des Älterwerdens, denn krank sein und sterben kann man auch in jungen Jahren.
    Sie schreiben, dass Sie diese Kolumne seit vielen Jahren lesen. Ich sei

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