Ansichten eines Hausschweins - Neue Geschichten ueber alte Probleme
Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, hat, ebenfalls 2009, die KdH zum geeigneten Mittel erklärt, um Gewalt gegen alte Menschen zu verhüten: »Wir wollen eine Kultur des Hinschauens etablieren.« Allerdings wurde bereits im September 2008, nach einer Gewalttat, in der Stadt Offenbach die »Kampagne für eine KdH« gegründet.
Dann dachte ich, dass, lange vor Offenbach, Angela Merkel diese Formulierung erfunden hat. In ihrer Neujahrsansprache am 31. Dezember 2007 sagte sie nämlich: »Wir brauchen eine Kultur des Hinsehens, nicht des Wegschauens.« Tatsächlich hat aber ein paar Monate vorher, im Juni 2007, die Schweizer Nationalrätin Evi Allemann in einer Rede zur Jugendgewalt wörtlich den gleichen Satz gesagt! Angela Merkel ist quasi die Helene Hegemann der KdH, und Evi Allemann ist quasi der Blogger Airen.
Evi Allemann wiederum könnte sich beim Deutschen Lehrerverband bedient haben, der im November 2003 folgende Grundsatzerklärung abgab: »Wir brauchen eine Kultur des Hinschauens.« Der Kriminologe Christian Pfeiffer hat sogar schon 2001 in einem Interview zum Thema Jugendgewalt eine »Kultur des Hinsehens« gefordert.
Und in Bielefeld gibt oder gab es in den öffentlichen Verkehrsmitteln offenbar sogar ein Logo, das die KdH bildlich zu beschreiben versucht, man muss sich die KdH demnach als einen Punkt vorstellen, der von einem Halbkreis umgeben ist, darunter steht der Satz: »Wir schauen hin.«
Meinen ältesten Fund aber verdanke ich der Zeitschrift Kriminalistik die im Januar 1996 einen Aufsatz von Angela Behring, Alexandra Göschl und Sylvia Lustig veröffentlichte, Titel: Zur Praxis einer Kultur des Hinschauens. Motivationslagen und Handlungsformen von Angehörigen der bayerischen Sicherheitswacht.
Man kann also sagen, dass seit mindestens fünfzehn Jahren bei jeder auffälligen Gewalttat, und zwar mit zunehmender Tendenz, die »Kultur des Hinschauens« gefordert wird. Sie will aber einfach nicht kommen, oder vielleicht ist sie sogar längst da, aber sie nützt nichts. Es ist leider auch ziemlich unklar, wie sie aussieht. Deshalb hier, zum ersten Mal, eine verbindliche Definition: »Wir brauchen eine Kultur des Hinschauens« ist das, was man seit 1996 in Deutschland sagt, wenn man zu einem grauenvollen Verbrechen irgendetwas sagen möchte oder kraft Amtes muss, aber man weiß beim besten Willen nicht, was. Schweigen ist ja unmöglich.
Über Drogenhandel
Ich plädiere dafür, Zigaretten und Alkohol endlich zu verbieten. Ja, es soll verboten sein.
Die Polizei soll Razzien veranstalten. Auf Zigarrenrauchen, Chardonnaytrinken und Weißbierzischen sollen ruhig Gefängnisstrafen von mindestens sechs Monaten stehen. Ich sage dies deshalb, weil ich gerne Wein trinke und auch rauche, zum Beispiel gerade jetzt beim Schreiben.
Gleichzeitig soll das Kokain legalisiert werden. Mit Kokain habe ich, womöglich als einziger Kolumnist Deutschlands, nichts am Hut.
Seit Jahren werden Zigaretten, vor allem wegen der steigenden Steuer, unablässig teurer, auch der Zugang zu dieser Droge wird immer schwieriger, man braucht jetzt an den Automaten Codekarten. Ich habe eine Internetseite gefunden, auf der die Entwicklung der Drogenpreise in den letzten Jahrzehnten von Experten analysiert wird. Es ist eine Tatsache, dass seit den achtziger Jahren alle illegalen Drogen billiger geworden oder zumindest im Preis stabil geblieben sind. In der Zeit, in der zum Beispiel auf der Münchner Wiesn der Preis für die Maß Bier sich verdoppelte, fiel in der Berliner Hasenheide der Preis für ein Gramm Haschisch um zehn bis zwanzig Prozent, angeblich bei steigender Qualität des Produkts.
Der Grund dafür ist, dass der Staat bei legalen Drogen mit großer Begeisterung an der Steuerschraube dreht, die Lohnnebenkosten steigen und überhaupt alles ständig steigt.
Einer der merkwürdigsten Vorfälle in der Geschichte der Arbeitskämpfe hat sich im Jahr 1999 im Hamburger Stadtteil St. Georg ereignet. Damals streikten dort die Dealer, meist illegale Einwanderer aus Afrika, um gegen die sinkenden Kokainpreise zu protestieren. Eine Dosis kostete nur noch zehn Mark. Am Verkauf waren immer drei Händler beteiligt. Einer nahm Kontakt zum Kunden auf, der zweite nahm das Geld an, der dritte händigte die Ware aus. Es war also sehr serviceintensiv. Manchmal mussten die Dealer lange auf Kundschaft warten. Sie bekamen möglicherweise noch niedrigere Stundenlöhne als eine Friseurin in Thüringen, das heißt, als Dealer konnte man kein
Weitere Kostenlose Bücher