Ansichten eines Klaus - Roman
brennt, an dem Fenster habe ich oft gestanden oder gesessen, gelesen, geraucht, getrunken und auf die beleuchteten S-Bahnzüge geschaut, die in der Ferne vorbeifuhren. Oder ich hab noch weiter gesehen, auf die Häuser auf der anderen Seite des trockenen Flusses. Da war schon der Osten. Der ehemalige.
Sie blickt mich an und lächelt und sagt: »Ich weiß, das zeigst du mir jedes Mal, wenn wir hier vorbeifahren.«
»Von Karola hat er sich getrennt«, sagt Petra also, als wir an meiner Küche vorbei sind. Wir fahren zu ihr nach Hause. »Und er ist wieder zu Ilka gezogen, also in ihre gemeinsame Wohnung.« Petra schüttelt den Kopf.
»Ich möchte wirklich mal wissen«, sage ich da, »was Frauen an ihm finden.« Sonst hatte Petra darauf immer gesagt: »Wem sagst du das?«, oder etwas Ähnliches, wenigstens ein Ilka verteidigendes »Wenn sie ihn doch liebt«, aber jetzt versteht selbst sie Ilka nicht mehr, dass die so mit sich spielen lässt: Ich will mit dir zusammen sein, aber trotzdem mit anderen Frauen rummachen, ich kann nicht anders, ich bin halt so, aber ich liebe dich trotzdem, und wenn du mich auch liebst, akzeptierst du mich so, wie ich bin. Ich weiß nicht, ob er das zu Ilka gesagt hat, zutrauen würde ich es ihm. »Ich möchte wirklich mal wissen, was Frauen an ihm finden«, sage ich, denn manchmal kann ich sogar nachvollziehen, was Frauen an dem einen oder anderen Mann finden, bei George Clooney verstehe ich es, beim jungen oder mittelalten Robert Redford verstehe ich es, auch bei dem einen Schauspieler aus CSI (nicht bei dem mit der Sonnenbrille!), oder bei Johnny Depp, auch wenn sich jedes Mal ein wenigNeid in das Verstehen mischt. In diesem Fall jedoch, im Fall Alexander N., verstehe ich es nicht. Da fehlt mir der weibliche Blick. Aber wahrscheinlich würde ich es auch nicht verstehen, wenn man es mir erklären würde. Und als ich dieses »Ich möchte wirklich mal wissen, was Frauen an ihm finden« mehr so dahinsage, um einfach einen Abschluss für dieses Thema zu haben, erwarte ich wenigstens etwas Reflexartiges von Petra, etwas in der Richtung, wie sie diesen Satz sonst auch immer kommentiert hatte. Nur diesmal nicht. Sie sitzt da, zusammengeknüllt in der Ecke am Fenster, wie eine Papierserviette, die Beine angewinkelt und unter dem Po, die Arme um ihren Körper geschlungen, das Ganze in ihrem XXXXL-Mantel aus Norwegen oder von einem Norweger oder mit Norwegermuster ... und sagt gar nichts. Zieht den Mantel noch ein bisschen fester um sich und sieht hinaus in die Dämmerung, in den ehemaligen Westen.
»Und?«, fragt Beate. »Hast du sie gefragt?«
»Ich bin naiv«, antworte ich und zucke entschuldigend die Schultern. »Was hätte ich denn fragen sollen?«
»Ob sie und Alexander ...«
»Das sagst du so einfach. Darauf muss man erst mal kommen.«
»Na, ich bin darauf gekommen.«
»Du bist ja auch eine Frau – und ich erzähle es dir gerade. Und ich weiß es auch schon.«
»Und dann hat sie gesagt, dass ihr reden müsst«, sagt Beate.
»Schlimmer.«
Wir sitzen in der Bahn, sind auf dem Weg zu ihr, sie in der einen Ecke unserer kleinen Vierersitzgruppe, ich in der anderen, was mir ohnehin hätte zu denken geben müssen, und ich sage: »Ich möchte wirklich mal wissen, was Frauen an ihm finden.«
Und Petra schweigt.
»Ich hab mich sowieso gewundert«, unterbricht mich Beate und legt wieder eine Hand auf meinen Arm, »also nichts gegen dich, du bist ein toller Mann, aber ich hab mich schon gefragt, nach allem, was ich so von dir und Petra und Alexander weiß, wieso sie eigentlich nie was mit ihm hatte.«
»Ja«, sage ich und nehme einen Schluck Tee. »Das ist genau der Punkt, das habe ich auch gesagt. Wir sitzen da, und ich meine so halb im Scherz, nach allem, was ich über Alexander wüsste, ist es ja schon fast ein Wunder, dass du nie was mit ihm hattest.«
»Au weia, so was sagt man doch nicht. Du unterstellst ihr, sowohl fremdgehen zu wollen, als auch, dass der große Frauenheld Alexander von allen Frauen ausgerechnet sie verschmäht hat.«
»Oder dass sie standhaft genug war.«
»Ach Quatsch. Dass Alexander sowieso mit jeder Frau was hatte, also auch mir ihr.«
»Ich hab mich sowieso gewundert, dass du nie was mit ihm hattest«, habe ich also gesagt.
»Hatte ich doch«, hat Petra jedenfalls ganz leise gesagt.
Sie waren sich vor ein paar Wochen begegnet, auf der Straße, zufällig, und waren einen Kaffee trinken. Er hat es vorgeschlagen. Sie hatte eigentlich gar keine Zeit, also haben
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