Ansichten eines Klaus - Roman
für Eifersucht oder Misstrauen, sie dachte, ihre Beziehung hättesich gefangen, also – er hätte sich gefangen. Und Alexander sagte: Hm, na ja, er wisse nicht, aber er könne ja mal den Pressesprecher fragen, und da grinste Ilka, und Alexander sagte: Ach, das sei ja er selbst, na, da müsse er wohl ja sagen.
Und so sei sie zwei Wochen später mit ihren neunundzwanzig kaum interessierten Elftklässlern angerückt und habe ihren Mann auf der Arbeit besucht. Hatte sie vorher noch nie getan, ihn zwar das ein oder andere Mal abgeholt, sie war auch schon mal in seinem Büro, aber mehr nicht. Doch auch jetzt war der Besuch bei Alexander nicht eben aufregend in einem Konzern, der kaum etwas herstellt, sondern fast nur verwaltet (sah man mal von der Herausforderung ab, die neunundzwanzig Spätpubertierenden zusammenzuhalten). Zuerst die Besichtigung des Büros des Pressesprechers, dann der große Konferenzraum – leer –, ein Gang durch den Verwaltungstrakt, ein Besuch in der Führungsetage – Vorstandschef Müller krank, Meier auf Reisen, Schulze in der Konferenz –, der Aufsichtsrat tage eh nur einmal im Monat. Dann noch der Besuch in der Poststelle, in der Hausdruckerei, dem Fuhrpark und der IT-Zentrale, was noch am meisten für Aufregung sorgte, besonders unter den Jungs – jedenfalls, bis sie dort waren. Ein Großraumbüro im Keller mit einer unscheinbaren Wand aus gut gekühlten Großrechnern und zehn Nerds an Bildschirmen. Höhepunkt des Ganzen war derBesuch der Kantine, wo jeder ein alkoholfreies Getränk bekommen habe.
»Aber ich weiß nicht«, sagt Ilka zu Petra, nachdem sie an ihrem nicht-alkoholfreien Getränk genippt hat, »ich weiß nicht, ob und wie Alexander mit irgendeiner der Schülerinnen an diesem Tag Kontakt gehabt hat, also so, dass sie sich hätten verabreden können.« Sie habe versucht, sich zu erinnern, ob er neben einem der Mädchen öfter gestanden oder gesessen oder mit ihr gesprochen habe, ob er sich für einen Moment abgesondert habe von der Gruppe, aber nein, er sei immer vornweg gelaufen. Aber sie habe ja auch stets darauf achten müssen, auch wirklich alle ihre Schützlinge beisammenzuhalten.
»Ich glaube«, sagt Petra da in ihrer sehr weisen Art, »es ist müßig, sich darüber Gedanken zu machen. Du kannst davon ausgehen, dass Alexander das Mädchen bei dem Ausflug gesehen hat. Vielleicht haben sie in dem ganzen Trubel ein paar Worte gewechselt, vielleicht nicht, vielleicht hat er ihr seine Telefonnummer zugesteckt ...«
»Am Schluss hat er Broschüren verteilt wegen der Betriebspraktika.«
»Betriebspraktika? Hat eine aus deiner Klasse da ihr Praktikum gemacht?«
»Zwei Jungs haben sich angemeldet, soweit ich mich erinnern kann. Aber ich könnte nachschauen ...«
»Was waren das für Broschüren?«
»So Faltblätter, Hefte, Broschüren eben. Über seine Firma. Da steht natürlich alles drin, Adresse, Telefonnummer.«
»Dann hat sie ihn vielleicht von sich aus angerufen, später.«
»Was immer noch kein Grund ist«, sagt Ilka und haut mit der Faust auf den Tisch, was putzig aussieht bei dieser kleinen, rothaarigen Frau, zumal ich noch nie jemanden gesehen habe, der ernsthaft und ohne ironische Intention mit seiner Faust auf einen Tisch gehauen hätte. Außer im Film vielleicht.
»Nein, natürlich nicht«, sagt Petra.
»Verdammt noch mal«, sagt Ilka und haut wieder auf den Tisch.
Zeit, ihr einen ernsten, ja strengen Blick zuzuwerfen. Bei uns wird nicht randaliert, auch nicht von kleinen rothaarigen, angetrunkenen Frauen, die von ihrem Mann betrogen werden, wurden, werden. Petra legt ihr einen Arm um die Schultern und sieht mich entschuldigend an. Ich drehe mich wieder zu meinem Tisch um. Sarah grinst.
»Und?«, fragt Petra. »Wirst du Karola morgen fragen ...«
»Kein Wort werd ich mit der Frau wechseln. Sie kann froh sein, dass ich unserem Schulleiter nicht stecke, dass sie mit dem Kerl zusammen ist, der mit unseren Schülerinnen bumst!«
Inzwischen kann das ganze Lokal mithören. Sarah kichert, ich zucke mit den Schultern. Armin blickt mich entsetzt an. Für jemanden, der mit so gut wie jeder Frau schlafen möchte, ist er ziemlich prüde, was die Wortwahl Ilkas angeht.
»Das war’s«, sagt Petra später im Bett.
»Mit uns beiden?«, frage ich gespielt entsetzt, denn sie sitzt immer noch auf mir.
»Mit Ilka und Alexander. Der kriegt keinen Fuß mehr bei ihr auf den Boden.«
»Ich finde es etwas beunruhigend«, sage ich, »dass du an deine betrogene Freundin
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