Anständig essen
gekommen war. Heute gebe es nur noch das einfache Fasten. Herr Benadi erzählt, dass er einmal 90 Tage lang nur von Fruchtsäften gelebt und dabei zehn Kilogramm abgenommen hat. Da er sowieso schon sehr schlank war, hat seine Frau irgendwann verlangt, dass er das Fasten beenden müsse.
»Haben auch Sie schon mit Ihrer frutarischen Ernährung abgenommen?«, fragt Herr Benadi. Das wollen immer alle wissen.
»Ja, auch so zehn Kilo«, sage ich.
Inzwischen esse ich dreimal am Tag gekochte Erbsen mit Kokosnussmilch und Pfeffer. Für die Rohköstler wäre das die reine Schlackenkost, und Fruchtesser würde wahrscheinlich bemängeln, dass ich dadurch viel zu viele (Kokos-)Nüsse zu mir nehme. Aber Früchte kann ich nicht mehr sehen. Die Erbsen schmecken mir hingegen immer besser, je länger ich sie esse. Draußen wird es jetzt kälter, und dann ist eine warme Mahlzeit genau das Richtige. Ich könnte mir sogar vorstellen, noch zwei Monate lang weiter Erbsen zu essen. Muss aber nicht unbedingt sein.
An einem klaren sonnigen Herbsttag mit leuchtendem Laub an den Bäumen halte ich es nicht mehr aus und sattle wieder Torino. Mit seinem alten, gut passenden Westernsattel aus Leder. Torino ist genauso aufgeregt wie ich und rennt sofort los, als ich im Sattel sitze. Ich zügle ihn die ersten paar Meter, damit er sich in seinem untrainierten Zustand nicht gleich eine Bänderzerrungholt, aber dann lasse ich ihn das Tempo bestimmen und beschränke mich darauf, die Richtung vorzugeben. Torino galoppiert einen lang gestreckten Hügel hoch und schnaubt wild. Ich keuche auch etwas. Das Asthma-Spray abzusetzen war vielleicht doch keine so gute Idee. Aber ich kann mich nicht erinnern, wann Torino und ich zuletzt mit so viel Freude unterwegs waren. Ein bisschen ähnelten wir wohl schon einem alten Ehepaar, das sich immer über dieselben Dinge streitet. Die lange Auszeit hat uns ganz gutgetan. Dasselfliegen und Pferdebremsen sind nicht mehr unterwegs, aber Hirschläuse. Erstaunliche Tiere – sie kommen angeflogen, landen auf Torinos Kruppe, werfen ihre Flügel ab und versuchen in sein Fell zu kriechen. Ich widerstehe der Versuchung, sie zu zerquetschen, sammle sie bloß ab und lasse sie neben den Weg fallen. Flügel haben sie ja nicht mehr, und zu Fuß werden sie uns wohl kaum wieder einholen. Torino trabt munter voran. Die Sonne brennt uns auf den Pelz.
Laut einer Studie des US -Klimaforschungsinstituts NCAR droht durch die weltweit steigenden Temperaturen bereits in 30 Jahren eine extreme Dürre im Mittelmeerraum sowie in Teilen der USA , Mittelamerikas, Mexikos, Brasiliens, Südostasiens, Chinas, Afrikas und Ostasiens.
»Der Begriff globale Erwärmung wird der tatsächlichen Veränderung durch den Klimawandel nicht mehr gerecht«, sagt Richard Saeger von der Columbia-Universität in New York.
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16
November – Wie geht es weiter?
»Wir wissen, dass es ein alles andere als leichtes Unterfangen ist, ein Volk seiner alten Gebräuche zu entwöhnen, und seien sie noch so unmenschlich und grausig …«
(James Cook)
»Es gibt Berichte von bekehrten Wilden, die auf dem Totenbett in Erinnerung an Menschenfleischgenüsse ihrer Kindheit vor Sehnsucht geweint haben sollen.«
(Iris Radisch)
Vorgabe: Eine Entscheidung treffen.
Ehrlich gesagt, habe ich mir das anders vorgestellt. Ich dachte, ich käme leichter davon. Zu Beginn meines Selbstversuchs hatte ich mir nämlich tatsächlich eingebildet, ich wüsste bereits, worauf das Ganze hinauslaufen würde, jedenfalls so ungefähr: insgesamt etwas achtsamer leben, deutlich weniger Fleisch essen, vielleicht die Hälfte von dem, was ich vorher gegessen hatte, und wenn, dann nur noch Fleisch aus ökologischer Haltung. Aber leider ist es etwas völlig anderes, einen Weg zu gehen, als ihn bloß zu kennen. Und manchmal merkt man erst, dass man dabei eine Grenze überschritten hat, wenn man bereits auf der anderen Seite steht. Und dannist es auch schon zu spät. Sich mit den Tatsachen der Mastanlagen und Schlachthöfe auseinanderzusetzen, ist kein Ausflug, von dem man zurückkommen kann, um am Kamin von seinen Abenteuern zu erzählen und anschließend sein vorheriges Leben wieder aufzunehmen. Manchmal wünschte ich beinahe, es wäre so. Manchmal wünschte ich, das Ganze wäre bloß eine Albtraum, und ich könnte daraus erwachen, und ein Hackbraten wäre wieder ein Hackbraten, ein Grillfest ein großes Vergnügen, und ich könnte in eine Bratwurst beißen, ohne dass an finsteren Orten wochen-
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