Anständig essen
auch keine Nudeln mehr essen kann. Ich finde, dass er bereits streng genug mit sich ist.
»Manchmal denke ich schon: Ob mein Leben einfacher wäre, wenn ich wie alle anderen wäre?«, sagt Bert. »Aber es ist ja müßig, darüber nachzudenken. Ich bin wie ich bin, und ich finde es gut so. Allerdings ist es schon schade, dass die vegan lebenden Menschen, die ich kenne, zwar teilweise daran interessiert sind, wie ich mich ernähre, meine Auffassung aber nicht teilen und deswegen leider auch nicht diese Lebensweise übernehmen wollen. Manche reagieren auch mit totalem Unverständnis.«
Andere Frutarier kennt auch Bert nur aus dem Internet, und die, die er dort kennengelernt hat, sind gleichzeitig Rohköstler, sodass die Vermutung naheliegt, ihre Motivation sei eher einem Gesundheitsbewusstsein als einem Gewissen entsprungen.
Auf Rohköstler bin ich bei meiner Suche nach Frutariern natürlich auch immer wieder gestoßen. Generell geht es bei ihnen vor allem darum, nichts Gekochtes, Gebratenes, Gebackenes oder sonst wie über 40 oder 60 Grad Erhitztes zu essen. Auf Anhieb hört sich das gar nicht so schwierig an, bedeutet in der Praxis aber, auch kein Brot, keine Konserven, keine abgepackten Obstsäfte oder Limonaden, keine Nudeln, ja nicht einmal Müsli, keine Milchprodukte, keine Schokolade, keinen Zucker, keinen Rübendicksaft, keinen Honig, keinen Kaffee, Kakao oder Tee zu sich nehmen zu dürfen. All diese Lebensmittel sind bereits erhitzt worden. Das Spektrum der Rohköstler reicht von den Instinctos, die sogar Fleisch essen, solange es roh ist, über die Urköstler (empfohlene Nahrungszusammensetzung: 75 % Früchte, 5 % Wurzeln/Samen/Insekten, 20 % Wildpflanzen und Blätter) und Sonnenköstler (nur überirdisch gewachsene Früchte und Pflanzen, die die volle Sonne abbekommen haben)bis zu den rohköstlerischen Frutariern. Die zahlreichen Splittergruppen werden meist von älteren Herren mit großem Sendungsbewusstsein dominiert, die sich gegenseitig runtermachen und dabei bis ins hohe Alter mobil bleiben. Den Altersrekord hält Dr. Norman W. Walker, geboren 1886. Er ernährte sich zeitweise ausschließlich von Säften aus Gemüse und frisch gepressten Früchten und soll mit über hundert Jahren noch flott Fahrrad gefahren sein und mit 113 Jahren sein letztes Buch geschrieben haben. Gestorben ist er allerdings bereits mit 99 Jahren. So kann man es jedenfalls den Daten auf seinem Grabstein entnehmen.
Mein Lieblings-Rohköstler ist Helmut Wandmaker, ja, genau der, der die Wandmaker-Supermarkt-Kette in Norddeutschland aufgebaut hat, in deren Filialen man all die feinen Fertiggerichte, Puddings und Schokoriegel kaufen konnte, die Helmut Wandmaker später in seinen Büchern als vergiftende und verkalkende Kochkost, Schleimbildner und schädliche Abfallkost verteufelt hat. Helmut Wandmaker, 2007 im gesegneten Alter von 90 Jahren verstorben, hatte die Weisheit mit Löffeln gefressen, verkündete die eigene Meinung wie die Zehn Gebote und bekämpfte andere Gesundheitsapostel mit allen Mitteln der Rhetorik. Sein bekanntestes Buch »Willst du gesund sein? Vergiss den Kochtopf!« beginnt mit den Worten: »Es gibt nur eine Ursache allen Ungemachs und das ist die Zerstörung unserer kostbaren Frischkost durch Feuerbehandlung!« Das ganze Buch strotzt vor Fettdruck und Ausrufezeichen und propagiert »Kraft durch Obst!«. Über seinen Konkurrenten, den Säuregegner Fred W. Koch, schreibt Wandmaker darin: »Es kam ein gramgebeugtes Männlein mit verkümmerten braunen Zähnen die Treppe herunter […]Ich habe ihm nachgewiesen, dass seine Ernährungsformsäurebildend war. Kochkost ist immer säurebildend! Seine geistige Schwerfälligkeit deutet auf eine schwere Gehirnverkalkung hin. Die dauernde Neutralisierung mit toten anorganischen Stoffen hat sein Adernsystem total verschlackt.«
In seinen letzten Jahren soll Helmut Wandmaker selber übrigens gar keine Zähne mehr gehabt haben. Nachdem er wegen Eiweißmangels im Krankenhaus behandelt werden musste, nahm er auch den Fleischverzehr in kleinen Mengen in seine Ernährungsempfehlungen auf.
Innerhalb der Rohkostszene galt Helmut Wandmaker als »bodenständig und […] noch relativ normal«.
Monstersturm Megi rast mit 260 Stundenkilometern über die Philippinen. Der dortige Wetterdienst warnt vor Erdrutschen und Springfluten. In China und Vietnam haben seit Tagen andauernde schwere Regenfälle zu Überschwemmungen geführt. In Vietnam sind mindestens 100 000 Häuser überflutet, 20
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