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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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neben ihm zermalmten die Panzer das Eis. Deutlich fühlte er Spritzer im Gesicht. Auspuffgase trafen ihn. Und dann kam knirschend in noch geringerer Entfernung eine Eiswand vorbei, glänzend, blankgeschmolzen, weißgrün, durchscheinend.
    Etwa vier Meter Eis glitten an Thomas vorbei, dann herrschte wieder Halbdunkel. Dumpf klangen die Motoren. Die Neugierde verdrängte seine Beklemmung. Er trat vor und beugte sich in die Hauptstrecke. Rechts im Dunst bewegten sich einige Schatten, schwankten Lichter.
    Thomas wandte den Kopf nach links, richtete seinen Handstrahler dorthin. Die Hauptstrecke war im gesamten Querschnitt ausgefüllt. Auf zwei Blechstreifen glitt langsam ein Eispfropf von ihm weg. Nur ein etwa zwanzig bis dreißig Zentimeter breiter Streifen blieb an den Stößen und der Firste.
    Es dauerte Sekunden, bis Thomas zu begreifen begann: Sie schrämen Blöcke aus dem Eis, riesige Blöcke, und die »Pferdchen« ziehen sie nach übertage.
    Er überschlug: Rund neun Meter breit, drei Meter hoch und vier Meter lang. Das sind ungefähr hundert Kubikmeter oder fast ebenso viele Tonnen.
    Es gab ihm einen Ruck. Sein Selbstbewußtsein wurde gestärkt. Ein Gefühl, an etwas Bedeutendem teilzuhaben und selbst dabei an Bedeutung zu gewinnen, befiel ihn. Im nächsten Augenblick jedoch dachte er an die Aufgabe, die er schon ab morgen selbständig, eigenverantwortlich zu übernehmen hatte, und ihm wurde mulmig. Ein zu großer Kurvenradius ließe sich korrigieren, aber ein zu kleiner? Wenn ich einen Fehler mache, verklemmen sich beim Transport die Blöcke. Jeder merkt es, sinnierte Thomas. Er beschloß, fortan so sorgfältig wie möglich zu arbeiten.
    Vor Ort war es verhältnismäßig ruhig. Verhaltenes Klappern, Zischen, rollendes Mahlen wie von Kugellagern, Plätschern, Elektromotorengesumm.
    Sie gingen weiter. Noch trennten sie etwa dreißig Meter vom Ortsstoß. »Wieviel solcher Blöcke kommen pro Schicht raus?« fragte Monig Kramer. »Wenn es gut geht, sechs.« Sie waren vorn angelangt.
    »Grüß dich!« Pjotr winkte. Er stand an einem Aggregat, das den gesamten Querschnitt des Leitstollens ausfüllte. Es zog einen Wagen hinter sich her, der der Ortsbelegschaft offenbar als Frühstücksraum diente. Dorthinein steuerte Kramer. Thomas zwängte sich zu Pjotr auf eine Art Leitstand, der hinten an der etwa fünf Meter langen Maschine angebracht war. Pjotr erläuterte ihm seine Tätigkeit: Knöpfe drücken, kontrollieren.
    »Warum bedient ihr sie nicht fern?« fragte Monig.
    »Es ist eine völlig neue Konstruktion, hat noch ihre Kinderkrankheiten. Fernbedienung ist vorgesehen. Dann wirst auch du hier arbeitslos«, sagte er lächelnd. »Hier der Kursweiser – vorläufig noch nach euren Angaben eingerichtet – wird dich ersetzen.«
    »Eine Justierung wird er ab und an schon brauchen«, sagte Thomas, sich gleichsam selbst tröstend. Es hätte mir noch gefehlt, am Anfang meiner Laufbahn an meiner Berufswahl zu zweifeln, dachte er.
    Vorn rauschten an einer starren, kreisrunden Scheibe, die den gesamten Stollenquerschnitt ausfüllte, etwa zehn Plasma-Flächenstrahler. Sie schmolzen das Eis gleichmäßig. Das Wasser sog die Maschine schmatzend in sich hinein, unter ihnen gluckerte es in dem dicken Rohr.
    Pjotr zeigte Thomas, wo das Antigefriermittel zugesetzt, wie das Rohr automatisch verlängert und der Laufsteg verlegt wurde. Nur einmal am Tag mußte Material antransportiert werden.
    Mehr als auf die Bedienungsknöpfe, deren Funktion Monig im einzelnen bei Pjotrs voraussetzender Erklärart ohnehin nicht verstand, achtete Monig auf Pjotrs Gesicht.
    Thomas wußte, daß Pjotr die Maschine mit konstruiert hatte, als Forschungsstudent, ausgewählt aus einer Vielzahl von Bewerbern, als Auszeichnung für gute Studienleistungen. Pjotr war stolz darauf. Sein Großvater, so hatte er ihm am Abend erzählt, war noch Schafhirte gewesen in den Rhodopen. Er hatte Touristen billige Uhren abgekauft. Pjotr hatte gelacht, als er das erzählte. Großvater würde nicht begreifen, daß heute niemand mehr Uhren kauft, daß er sie bekommt, wenn er sie braucht.
    An diesen Großvater mußte Thomas jetzt denken, als er Pjotr an seiner Maschine sah. Er war auf den Besitz einer Uhr sicher genauso stolz damals wie Pjotr auf die Maschine, die ihm für fünf Stunden am Tag anvertraut war, die er mit gebaut hatte.
    Kramer trat aus dem Frühstücksraum und winkte. Pjotr kam mit. Seine Hand glitt über das Pult, als streichele er es.
    Schließlich ging alles viel

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