Antarktis 2020
Thomas nach Kräften. Er hielt sogar seine Maschine an und meinte lachend, daß sein Soll bereits geschafft sei.
Während der Messung ergaben sich zwangsweise Pausen. Thomas sah den Kumpeln vor Ort ausgiebig zu. Bald hatte er ihre Arbeit begriffen: Wenn ein Block seine Reise angetreten hatte, wurden die Rahmen, auf denen die Laser umliefen, an den Ortsstoß gezogen, die Kabel neu verlegt, durch Schnellkopplungen verbunden. Eine leichte Arbeit. Während des Schneidens bestand ihre Tätigkeit hauptsächlich aus Kontrollen.
»Kommt rein!« rief Pjotr vom Frühstücksraum her. »Die Pferdchen rasten jetzt unterwegs auch.«
Pjotr deutete, als Thomas an ihm vorbei in den Raum trat, mit dem Kopf auf Deland und die Männer, die um den Tisch herum saßen, und raunte ihm zu: »Von seiner Truppe.« Thomas sah sie sich an, in ihren leichten, warmen, wasserdichten Arbeitskombinationen. Nicht einer von den sieben, der ihm unsympathisch gewesen wäre. Sie warfen die Overalls ab und holten sich aus dem Automaten ihr Frühstück.
Sie taten es ihnen gleich.
Thomas versuchte, so gut es ging, einiges von ihrer Unterhaltung mitzubekommen. Er hatte Mühe, die Pointen ihrer Neckereien und ihres Spöttelns zu begreifen. Sie lachten, aßen so, wie man eben untertage in provisorisch eingerichteten Frühstücksräumen ißt.
Auch Deland war etwas aufgetaut. Aber Thomas hatte den Eindruck, als sondere er sich von seinen Kameraden ab. Er beteiligte sich kaum am Gespräch und lachte selten.
Draußen schrillte das Streckentelefon. Pjotr ging. Thomas nutzte die Gelegenheit und folgte ihm.
Pjotr bekam die Mitteilung, daß wegen einer Störung im Reaktor in wenigen Minuten der Arbeitsstrom abgeschaltet werde. »Sag mal, Pjotr, kennst du den Deland?« fragte Thomas. »Nicht so richtig. Er war ein paar Schichten bei mir – als Hilfsmaschinist. In einer Nachtschicht hat er schlappgemacht. Danach bekam er bei euch den Schonplatz.«
»Das weiß ich«, sagte Thomas. »Ich meine – was ist er für ein Mensch?«
»Ich kümmere mich um die Amis wenig. Kann zu schlecht Englisch. Soviel ich mitbekommen habe, ist er einer von denen, die außer ihrer Waffentechnik nichts gelernt haben. Und nun ist es natürlich schwierig, ihn unterzubringen. Die meisten haben bereits eine Arbeit. – Er bekommt vielleicht Platzangst oder so was. Jedenfalls eine Art Angst, daß er nicht unterkommt. Außerdem war er Offizier und muß hier mehr oder weniger mit Hilfsarbeiten vorliebnehmen. Fühlt sich wohl als Außenseiter, meint vielleicht, alle Welt hat sich gegen ihn verschworen. Dazu versteht er sich mit eurem Kramer nicht recht – man sollte ihn in Ruhe lassen.«
Als Pjotr sagte: »Alle Welt hat sich gegen ihn verschworen«, drängte sich plötzlich Evelyn in Thomas’ Denken. Er sah sie im Zimmer vor dem Fenster stehen, damals in Berlin an dem letzten Nachmittag vor seiner Abreise. Die Sonne spielte in ihrem Haar, daß es leuchtete. Es waren etwa die gleichen Worte, die sie ihm sagte. Sollte ich etwas Gemeinsames mit Deland haben, etwas, das ihn mir sympathisch macht? Oder woher rührt meine plötzliche Anteilnahme für einen Mann, den ich nicht kenne, grübelte Thomas. Pjotr hat sicher recht, ich sollte ihn gehen lassen.
Die Störung brachte Ruhe und damit einen schnellen Fortgang der Messung.
Pjotr führte an seinem Apparat einige Kontrollen und kleine Reparaturen durch, dann verabschiedete er sich. Der kleine Mannschaftswagen in der Leitstrecke setzte sich in Bewegung und führte die Ortsbelegschaft nach übertage. Sein Rollen verlor sich in der Ferne. Die Wetter standen, die Lüfter waren ebenfalls ausgeschaltet. Nur die Notbeleuchtung brannte, und an den Maschinen funkelten, gespenstisch im Dunst, grüne und rote Kontrollampen, die zeigten, daß die gefräßigen Ungeheuer nur ruhten. Es konnte einem ordentlich unheimlich werden. Drei Männlein, Würmchen in einem riesigen Eisdom.
Vorn tropfte Wasser, zischte auf, wenn es auf die noch heißen Metallteile fiel. Es wurde merklich klammer und kälter.
Thomas kontrollierte den Verpflegungsautomaten, stellte fest, daß er noch reichlich gefüllt war, und beriet mit seinen Kollegen. Sie waren einverstanden, unabhängig vom Schichtende mit ihm die Messung zu Ende zu führen.
Nach drei Stunden fuhren auch sie aus, allerdings zu Fuß, da – wie Thomas aus einem Anruf erfahren hatte – der Streckenwagen gerade die Belegschaft der nächsten Schicht aufnahm. Sie trafen sie auf halbem Wege.
Der Student redete
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