Antarktis 2020
viel auszustehen. Und dem Kombinat wurde nachgesagt, daß man sich auf die Mitarbeiter verlassen könne. Der Mars war weit und Mattaus Tätigkeit dort vor Jahren für Monig Geschichte. Schließlich ist die Zeit nicht stehengeblieben, und die Lebensbedingungen haben sich verbessert. Informationen konnte man auch anders erhalten als an Ort und Stelle, als im Eis, auf den Wellen oder direkt im Wüstensand. Es gab darüber Berichte, die auch in Berlin nachzulesen waren.
Thomas wußte nicht, was er sagen sollte. Er dachte an Evelyn, mit der er, bevor er anfing zu arbeiten, ein paar unbeschwerte Urlaubstage verbringen wollte. Und er dachte an die zwei Jahre Trennung, die diese Entscheidung bedeutete.
Er versuchte sich zu fangen. Wo hatte er Fehler gemacht? Bei Professor Meinert? Den hatte Mattau sicher gar nicht kennengelernt, aber er berief sich schließlich auf ihn als Mentor.
Thomas gab sich einen Ruck. Hier wirken gewisse physikalische Gesetze, sagte er sich in einem Anflug von Galgenhumor, die Hebelgesetze, und du sitzt am kürzeren Ende. Die beiden dagegen – Thomas lächelte sarkastisch – am längeren.
Plötzlich wurde er sich bewußt, daß er möglicherweise ungerecht urteilte. Schließlich konnten es beide ehrlich mit ihm meinen, Meinert, na ja, aber Mattau, auf dessen Entscheidung es ankam… Vielleicht war das Praktikum wirklich vernünftig.
Er mußte etwas sagen, Mattau sah ihn abwartend an. »Keine Fragen«, sagte er und fühlte, daß das nicht die geeignete Antwort war.
Mattau lächelte, warf einen Blick in seine Papiere und fragte dann: »Hattest du dir etwas anderes vorgestellt?«
»Nnnein«, antwortete Thomas zögernd. »Es kann auf keinen Fall schaden, Erfahrungen zu sammeln, und ich stelle mir…« – er schluckte und wunderte sich, wie gut es über die Lippen ging – »… gerade diese drei Aufgaben außerordentlich interessant vor.«
»Es freut mich«, sagte Mattau. Er kam um den Schreibtisch herum und trat auf Thomas zu.
Thomas stand auf.
»Es freut mich«, wiederholte Mattau, »daß wir hierin übereinstimmen. Wir werden von dir hören, selbstverständlich stehen wir dir jederzeit zu Konsultationen zur Verfügung.« Mattau deutete einen Gruß an. »Gute Reise – und viel Erfolg!«
Als Thomas das Zimmer verlassen hatte, setzte sich Mattau an seinen Tisch und strich sich mit der Linken über Stirn und Augen. Es schien, als habe ihn die Unterredung angestrengt.
Dann beugte er sich zu seiner Sprechanlage, drückte die Taste und sagte: »Theres, bitte mache das Antwortschreiben an Meinert fertig. Inhalt: Wir stimmen mit seinem Vorschlag überein. Monig nimmt nächste Woche das Praktikum auf.
Ein zweites Schreiben geht an…«, Mattau blätterte in einem Verzeichnis, das auf seinem Schreibtisch lag, »… Lewrow, den Leiter der Abteilung GEOMESS in TITANGORA. Wir geben diesem Schreiben eine Abschrift der Mitteilung Meinerts bei und bitten, Monig tüchtig ranzunehmen und uns im üblichen Turnus Bericht über den Verlauf des Praktikums zu geben.
Ich empfehle, das Schreiben für die Antarktis über TELEDAT abzusetzen. Danke!«
Thomas Monig wanderte durch den sonnigen Berliner Herbsttag. Er hatte nicht das Gefühl, das ihn sonst befiel, wenn er sich in der Hauptstadt befand, ein Gefühl des Losgelöstseins vom Alltag und einer gewissen Unternehmungslust.
Er wußte nicht, ob es Wut war oder Ärger, Niedergeschlagenheit wie nach einem schweren Mißerfolg oder einfach Trauer um seine Wunschträume.
Er ließ sich treiben von dem bunten Völkchen der Touristen, von den Passanten, den Schaufensterbummlern und den Eiligen oder auch Nichteiligen, die auf den breiten, tartanbelegten Wegen unterwegs waren. Er sah sich nicht einmal um, wenn ein besonders gut gewachsenes Mädchen an ihm vorüberging, er sah eigentlich überhaupt nichts, hatte die Hände in seinem Überwurf vergraben und wich zerstreut den Menschen aus.
Auf dem Alexanderplatz fand er sich wieder – vor einem historischen Bauwerk aus den siebziger Jahren, der Weltzeituhr, die sich, unmittelbar am modernen kunststoffverkleideten Trakt der Vakuumschnellbahn, ein wenig vorsintflutlich ausnahm.
Hier blieb Thomas stehen. Er betrachtete die Kontinente, die auf der Uhr abgebildet waren, suchte die Antarktis. Dann ärgerte er sich, daß die Uhr noch den Vierundzwanzigstundentag und nicht den Zwanzigstundentag anzeigte, und rechnete sich trotzdem aus, wie spät es jetzt ungefähr in TITANGORA sein mochte.
Dann setzte er sich auf eine Bank,
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