Anthrax
Vorgehens attackiert wurde. Sie sollten ihm quasi als Rechtfertigung für seine Handlungsweise dienen.
Seine Intuition sagte ihm, daß Flash wahrscheinlich recht hatte. Es sah einiges danach aus, daß seine Schwester tatsächlich Opfer eines gewaltsamen Todes geworden war. Da die Krankenhausärzte einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall sowie gängige Infektionskrankheiten ausgeschlossen hatten, lag der Verdacht auf eine Vergiftung nahe, erst recht, wenn man auch noch den seit langem brodelnden Streit zwischen den Eheleuten in Betracht zog. Das blaue Auge untermauerte diese Theorie. Auch wenn Jack sich Flash gegenüber zurückgehalten hatte, sagte ihm sein Expertenauge, daß das blaue Auge von einer äußerlichen Verletzung und nicht von einer Infektion herrührte und daß diese Verletzung eher durch eine Faust als durch ein lebloses Objekt im Bad der Frau hervorgerufen worden war. In der Hoffnung, so schnell wie möglich an sein Alibi zu kommen und Beweismaterial für die sofort einzuleitenden Mordermittlungen zur Verfügung stellen zu können, fuhr er auf direktem Weg hinauf in den dritten Stock, in dem sich das ToxikologieLabor befand. John DeVries, dem Leiter des Labors, ging er gezielt aus dem Weg, da dieser ihn vermutlich mindestens eine Woche oder sogar noch länger auf die Ergebnisse warten lassen würde. Statt dessen suchte er nach Peter Letterman, einem dürren blonden eher weiblich wirkenden Assistenten, der stets so tat, als ob er mit dem Labor verheiratet wäre. Jack hatte ihn schon mal um zehn Uhr abends in seine Arbeit vertieft angetroffen. »Ich brauche dringend Ihre Hilfe«, begrüßte Jack den Laborassistenten, der gerade am Gaschromatographen arbeitete. Peter runzelte die Stirn. Ständig traten Mitarbeiter mit allen erdenklichen Bitten an ihn heran und versuchten so, das lange Warten auf toxikologische Ergebnisse zu verkürzen. Der Abteilung standen ohne jeden Zweifel zuwenig Mitarbeiter und Geräte zur Verfügung, doch davon konnte fast jede Sektion des Gerichtsmedizinischen Instituts ein Lied singen. »Wenn keine dieser Proben positiv ist, muß ich wahrscheinlich demnächst Bleistifte verkaufen«, erklärte Jack und stellte seine Tasche ab. Während er die Reagenzgläser auspackte, beschrieb er Peter in Umrissen, wie er seinen Nachmittag verbracht hatte. Als er zu seinen Erlebnissen in dem Bestattungsinstitut kam, mußte der ansonsten eher ernste Laborassistent lächeln.
»Glauben Sie, ich habe mir das alles nur ausgedacht?« fragte Jack, dem Peters Heiterkeit nicht entging. »Nein«, erwiderte Peter. »Dafür klingt Ihre Geschichte viel zu aufsehenerregend.«
»Okay«, fuhr Jack fort. »Dann können Sie ja sicher nachvollziehen, daß ich mich in ziemlich heißes Wasser begeben habe.«
»O ja!« entgegnete Peter, ohne zu zögern. »Sie helfen mir also?« vergewisserte sich Jack. »Nach was für einem Stoff suchen Sie?«
»Nach irgend etwas, das die Atmung lähmt. Sie wissen schon, was da in Frage kommt: Testen Sie auf die üblichen verschreibungspflichtigen Medikamente, außerdem auf Zyanid, Kohlenmonoxid, Äthylenglykol und alles, was Ihnen sonst noch so einfällt. Einen quantitativen Nachweis brauche ich vorerst noch nicht. Es reicht mir, wenn Sie irgend etwas finden.«
»Okay«, meinte Peter. »Schauen wir mal.«
»Wie schnell haben Sie die Ergebnisse?« fragte Jack. »Was halten Sie davon, wenn ich die Untersuchungen sofort durchführe?« schlug der Laborassistent vor. »Auf die Stoffe, die Ihnen vorschweben, kann ich die Proben ziemlich schnell testen.«
Vor lauter Freude fiel Jack seinem netten Kollegen um den Hals.
Der wirkte beschämt, als Jack ihn wieder losließ. Er war rot geworden und vermied jeglichen Augenkontakt. »Ich bin oben in meinem Büro«, sagte Jack. »Mein Schreibtisch quillt über vor Arbeit. Rufen Sie doch kurz durch, wenn Sie soweit sind.« Peter nickte.
»Ich lade Sie demnächst zum Dinner ein«, versprach Jack und klopfte dem Assistenten zum Dank auf die Schulter. »Ist schon in Ordnung«, murmelte Peter und sammelte die Gläschen ein.
»Als erstes sollte ich wohl ein paar Formulare ausfüllen«, entschied Jack jetzt. »Falls sich diese Geschichte tatsächlich als Mordfall entpuppt, müssen wir lückenlos nachweisen, in wessen Gewahrsam sich die Proben befanden.« Er verließ das Toxikologielabor, nahm die Treppe hinauf in den vierten Stock und betrat federnden Schrittes das histologische Labor. Dank Peter fühlte er sich erheblich besser. Maureen O’Conner,
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