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Anthrax

Anthrax

Titel: Anthrax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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benutzen«, erwiderte Jack, »halte ich es für ziemlich weit hergeholt. Schließlich wurden weder Ausfälle der Hirnnerven noch eine Bulbärparalyse oder irgendwelche anderen Symptome bei ihr festgestellt, die auf Botulismus hindeuteten. Angeblich ist sie ins Bad gegangen und dort zusammengebrochen.«
    »Aber Botulinustoxin unterdrückt die Atmung und verursacht Zyanose«, gab Laurie zu bedenken. »Stimmt. Und wie viele Fälle gibt es davon pro Jahr?«
    »Immerhin kommt Botulismus häufiger vor als Milzbrand«, konterte Laurie. »Und ein Milzbrandopfer hast du gerade erst obduziert.«
    »Okay«, sagte Jack. »Ich verstehe, was du meinst. Dann bitte ich Peter morgen früh, die Proben nicht nur zusätzlich auf Nitrate, Nitrite und Sulfonamide, sondern auch noch auf Botulinustoxin zu testen.«
    »Danke, daß du dich heute abend um mich gekümmert hast«, flüsterte Laurie. »Du hast mir sehr geholfen.«
    »Hab ich gern getan«, entgegnete Jack. Laurie legte auf und kuschelte sich an Tom-2. Dabei ging ihr durch den Kopf, was für ein wunderbarer Mann Jack wäre… wenn er nicht wäre wie Jack. Der Gedanke war so absurd, daß sie lachen mußte. Sie stand auf und machte sich bettfertig.

Kapitel 16
    Mittwoch, 20. Oktober, 5.30 Uhr
    Jack hatte das Gefühl, daß er sich in seinem ganzen Leben noch nie über so viele unterschiedliche Probleme gleichzeitig Sorgen machen mußte. Da war zunächst einmal Laurie; ihr Verhalten verwirrte ihn genauso wie seine eigene Reaktion. Nachdem sie nach Mitternacht heimgefahren war, hatte er nur schwer in den Schlaf gefunden. Statt dessen hatte er darüber nachgegrübelt, was sie in den vergangenen vierundzwanzig Stunden gesagt und getan hatte. Als sie wie eine Erscheinung vor seiner Tür gestanden hatte, hatte er sich immer noch mies gefühlt wegen seiner eifersüchtigen Reaktion auf ihre Verlobungsankündigung; gleichzeitig war er ihr aber auch noch ein bißchen böse gewesen, daß sie so cool über seinen Entschuldigungsversuch hinweggegangen war. Er wußte beim besten Willen nicht, was er von alldem halten sollte.
    Und dann waren da noch diese beiden mysteriösen Fälle. Sosehr er sich auch das Hirn zermartert hatte – bisher war ihm keine vernünftige Erklärung für die starke Kontaminierung des kleinen Sternchens eingefallen. Was Connie Davydov anbelangte, so hatte das Toxikologie-Labor seine Theorie gehörig ins Wanken gebracht, nach der sie mit einem die Atmung lähmenden Stoff vergiftet worden war. Auch nach einem stundenlangen Studium diverser Fachbücher war ihm bislang keine Ersatztheorie in den Sinn gekommen. Lauries Anregung, eine Methämoglobinvergiftung in Betracht zu ziehen, war der einzige Hoffnungsschimmer, auch wenn er nicht wirklich darauf setzte.
    Darüber hinaus plagte ihn der Gedanke, daß er sich dringend eine Ausrede für sein Verhalten in der Nebenstelle des Gerichtsmedizinischen Instituts in Brooklyn und im Bestattungsinstitut Strickland einfallen lassen mußte. Immerhin hatte Dr. Bingham ihm gerade mal einen Tag zuvor wegen einer vergleichsweise harmlosen Geschichte eine längere Standpauke gehalten. Wenn er von den Zwischenfallen in Brooklyn Wind bekam, würde er fuchsteufelswild werden und eine Erklärung verlangen, die Jack ihm nicht liefern konnte. Seitdem er seine Stelle im Gerichtsmedizinischen Institut der Stadt New York angetreten hatte, befürchtete er zum ersten Mal allen Ernstes, am Abend womöglich vom Dienst suspendiert zu sein. Nachdem er nur mit Mühe eingschlafen war, war er am Morgen zu allem Übel auch noch früher aufgewacht als sonst. Weiter über seine diversen Probleme grübelnd, radelte er schon im Morgengrauen zur Arbeit. So konnte er sich wenigstens eine Stunde seiner Büroarbeit widmen, bevor er sich hinunter in den ID-Raum begab.
    Als er ankam, setzte Vinnie Amendola gerade die Kaffeemaschine in Gang. Dr. Fontworth war im Begriff, sich die während der Nacht eingelieferten Fälle vorzuknöpfen. »Entschuldigung, George«, wandte sich Jack an seinen Kollegen. »Haben wir heute viele Obduktionen? Oder wird es ein ruhiger Tag?«
    Dr. Fontworth musterte mit schläfrigen Augen die Liste der eingelieferten Opfer. »Ich würde sagen, es sind normal viele.«
    »Gut«, entgegnete Jack. »Wenn’s Ihnen nichts ausmacht, würde ich gern einen Schreibtischtag einlegen.« An sogenannten Schreibtischtagen nahmen die Gerichtsmediziner keine neuen Autopsien vor, sondern widmeten sich den ganzen Tag der Aufarbeitung des nie endenden Papierkriegs.

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