Anthrax
und daß alle Tests negativ ausgefallen waren.
»Ist ja interessant«, bemerkte Laurie und ließ noch einmal Revue passieren, was Jack ihr erzählt hatte. »Wirklich schade, daß du keine schnelle Autopsie durchführen konntest.«
»Ich war froh, daß ich wenigstens an das Stück Hautgewebe gelangt bin«, erklärte Jack. »Außerdem hätte ich gar nicht ge-wußt, worauf ich neben dem Üblichen besonders hätte achten sollen.«
»Die Notarzthelfer haben sie ausdrücklich als zyanotisch beschrieben?« fragte Laurie.
»Ja«, bestätigte Jack. »Als sie in der Notaufnahme eintraf, haben die Ärzte zudem eine verminderte arterielle Sauerstoffversorgung festgestellt, was die Zyanose bestätigt. Deshalb in ich ja darauf gekommen, daß eigentlich nur irgendein Medikament oder Mittel schuld sein kann, das ihre Atmung unterdrückt hat. Ich war mir so sicher, daß es mir regelrecht die Sprache verschlagen hat, als Peter mit den durchweg negativen Ergebnissen anrückte.«
»Ich hätte bei einer Autopsie sichergestellt, daß sie keinen angeborenen Rechts-Links-Shunt hatte, der wieder aufgegangen ist.«
»So etwas habe ich noch nie gesehen«, gestand Jack. »Damit ließe sich zumindest ihr klinischer Zustand erklären.«
»Fällt dir noch irgend etwas anderes ein?« wollte Jack wissen. »Zum Beispiel ein bestimmtes Gift oder ein bestimmtes Medikament in Überdosierung?«
»Wenn Peter nichts in ihrem Mageninhalt entdeckt hat, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, was für ein Gift das sein sollte«, erwiderte Laurie. »Aber Moment mal hast du eine Methämoglobinämie in Betracht gezogen?«
»Nein«, gestand Jack. »Kommt so etwas nicht total selten vor?« Bei einer Methämoglobinämie wurde das Hämoglobin im Organismus daran gehindert, Sauerstoff zu transportieren.
»Das schon«, erwiderte Laurie. »Aber du willst schließlich hören, was alles eine Zyanose hervorrufen kann. Du solltest die Proben zumindest auf die Nitrate und Nitrite testen, die eine Methämoglobinämie verursachen können. Auf Sulfonamide ebenfalls.«
»Aber muß man all diese Stoffe nicht nur bei Menschen in Betracht ziehen, die seit ihrer Kindheit zyanotisch sind?« fragte Jack. »Bei den Sulfonamiden würde ich dir wahrscheinlich recht die Sache schon anders aus. Wenn du auf Nummer Sicher gehen und nichts außer acht lassen willst, mußt du sie jedenfalls in Erwägung ziehen.«
»Okay, du hast recht«, gab Jack zu. »Ich bitte Peter morgen früh, die Proben auch noch auf diese Stoffe zu testen. Fällt dir noch etwas ein?«
Laurie dachte eine Weile nach, schüttelte dann aber den Kopf.
»Ich muß dir noch von einem anderen kuriosen Ereignis im Zusammenhang mit dieser Geschichte erzählen.« Jack berichtete Laurie von dem Massensterben der Ratten, das sich in dem gleichen Vorort von Brooklyn zugetragen hatte, in dem Connie Davydov gewohnt hatte. »Glaubst du, es gibt eine Verbindung?« Jack zuckte mit den Schultern. »Was meinst du? Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall ist es ein höchst seltsamer Zufall.« Er erzählte Laurie, daß Connie offenbar in einem alten Holzhaus inmitten einer Siedlung ähnlicher alter Sommerhäuser gelebt hatte, und äußerte auch seine Vermutung, daß die Häuser sicher bloß über ein primitives Abwassersystem verfügten.
»Klingt mir ein bißchen weit hergeholt«, stellte Laurie fest. »Wieso sollte nur ein einzelnes Haus betroffen sein, wenn irgendein tödliches Gift aus dem Kanalsystem austritt?«
»Du hast recht«, gab Jack zu. »Aber jetzt mußt du dir unbedingt auch noch mein weiteres Rätsel anhören.« Er berichtete ihr von dem winzigen Glitzersternchen, das Ted Lynch in seinem Labor untersucht hatte. »Es ist, als ob das Sternchen aus klebrigem Fliegenfänger-Material hergestellt und in eine Schale mit Anthraxsporen getunkt worden wäre.«
»Wieso bekommst eigentlich immer du die interessanten Fälle?« Laurie scherzte.
»Jetzt mal im Ernst«, entgegnete Jack. »Kannst du dir das erklären? Immerhin habe ich um das Sternchen herum von allen Utensilien Proben genommen, sogar von der Kladde, auf der es lag, und von der Schreibtischoberfläche. Der PCR-Rest reagiert so sensibel, daß er schon ein paar vereinzelte Sporen ausfindig macht. Aber bis auf das Sternchen war alles sauber.«
»Ich bin schon wieder überfragt«, stellte Laurie fest. Dann warf sie einen Blick auf die Uhr. »Es ist außerdem nach Mitternacht. Noch länger raube ich uns aber nicht den Schlaf.« Sie stand auf.
»Bist du denn
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