Anthrax
hätte, hätte er sie kurzerhand aus der gemeinsamen Wohnung geworfen. Connies Glut war ebenfalls erloschen. Anfangs hatte sie in Yuri einen romantischen Liebhaber gesehen, der aus einem fernen Land gekommen war, um sie von ihrem langweiligen Dasein zu erlösen. Doch schon bald nach ihrer Heirat war Yuri nur noch Taxi gefahren und hatte vor dem Fernseher Wodka in sich hineingegossen. Zu allem Übel waren dann auch noch seine Gewaltausbrüche hinzugekommen. Connie war in ihrem Leben nie geschlagen worden, und als Yuri zum ersten Mal die Hand ausrutschte, hätte sie ihn auf der Stelle verlassen, wenn sie gewußt hätte, wohin sie hätte gehen sollen. Doch als sie Yuri gegen den Willen ihrer Familie geheiratet hatte, hatte sie alle Brücken hinter sich abgebrochen. Also blieb sie aus Stolz und fügte sich ihrem Schicksal.
Connie verarbeitete ihr Unglück, indem sie Unmengen von Essen in sich hineinstopfte. Sie fand ihren Trost in Großpackungen Eiskrem, Pommes frites und Big Macs und sie tröstete sich oft. Die Kalorienbomben und der Mangel an Bewegung sorgten dafür, daß sie irrsinnig schnell zunahm. Je mehr Yuri trank, desto mehr Essen verschlang sie, und desto fetter wurde sie.
Während sie ihren jeweiligen schlechten Gewohnheiten immer hemmungsloser frönten, wurden sie einander immer fremder, bis sie schließlich regelrecht Feinde waren. Sie lebten zwar im gleichen Haus, doch sie gingen einander so weit wie möglich aus dem Weg – bis allein die räumliche Nähe zueinander den nächsten Streit entfachte. Die Auseinandersetzungen eskalierten immer schlimmer; gegenseitige Beschimpfungen wuchsen sich zu Gewalttätigkeiten aus, und wenn Connie Schläge einstecken mußte, litt sie noch mehr, was den Teufelskreis erneut in Gang setzte. Die traurige Routine wurde durchbrochen, als Yuri sich mit Curt Rogers und Steve Henderson anfreundete. Er erzählte Connie nichts von seinen neuen Bekannten, aber er kam nur noch selten nach Hause. Curt und Steve besuchten ihn nie in Brighton Beach. Yuri fuhr immer nach Bensonhurst, um die beiden zu treffen. Connie war überzeugt, daß er eine Affäre hatte, und ihr Irrglaube bescherte ihr so manche Tracht PRugel und endlose Streitereien. Auf einmal kam Yuri dann wieder öfter nach Hause und verbrachte unglaublich viel Zeit im Keller. Zuerst baute er irgend etwas und ging Connie mit seinem Gehämmer und Gesäge ziemlich auf die Nerven. Als sie ihn fragte, was er da unten treibe, wies er sie zurecht, daß sie das einen feuchten Kehricht angehe. Dann schleppte er eines Tages jede Menge Geräte in den Keller, unter anderem leistungsstarke Ventilatoren. Connie sah sogar eine riesige Trommel aus rostfreiem Stahl, die von ein paar Skinheads nach unten geschleppt wurde. Weißer Pöbel von dieser Sorte machte ihr Angst, und sie paßte auf, daß sie den Glatzköpfen nicht in die Quere kam. Connie bohrte etliche Male nach, was im Keller vor sich gehe, doch Yuri gab ihr keine Antwort. Schließlich vermutete sie, daß er eine Destillationsanlage konstruierte, um sich seinen eigenen Wodka zu brauen. Als sie ihn eines Abends damit konfrontierte, fuhr er ihr regelrecht an die Gurgel. »Ja!« brüllte er. »Ich brenne mir da unten meinen Wodka! Wenn du mit irgend jemandem darüber sprichst, bringe ich dich um! Das schwöre ich dir! Und wenn du jemals irgend etwas anrührst, schlage ich dich zu Brei. Wage es nicht, den Keller zu betreten!«
Connie versuchte vergebens, sich aus Yuris Umklammerung zu befreien. Normalerweise verpaßte er ihr lediglich ein paar Ohrfeigen, doch diesmal schien er völlig auszurasten. Er durchbohrte sie förmlich mit seinen finsteren Blicken. Sie befürchtete, daß er im Begriff war überzuschnappen. Vor Panik wurde ihr schwarz vor Augen. Yuris rot angelaufenes Gesicht begann zu verschwimmen, und ihr knickten die Knie weg. Erst in diesem Augenblick ließ er sie los. Connie taumelte ein paar Schritte zurück und schaffte es gerade noch, sich auf den Beinen zu halten. Er hatte ihr so kräftig die Kehle zugedrückt, daß sie würgen mußte. Im nächsten Augenblick brach sie in Tränen aus, stürzte aus dem Raum und warf sich auf ihr Bett. Von da an wollte sie nicht mehr wissen, was im Keller vor sich ging. Was auch immer Yuri da unten trieb – sie wollte unter keinen Umständen mit ihrem Leben dafür bezahlen müssen.
Yuri mißfiel es, daß Connie zu Hause war. Normalerweise arbeitete sie montags abends mindestens bis neun Uhr. Ihre unerwartete Anwesenheit gab ihm den Rest.
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