Anthrax
das denn für einen Unterschied?« fragte Yuri, obwohl er die Antwort bereits kannte. Im Laufe der vier Jahre, die er in den Vereinigten Staaten verbracht hatte, waren ihm die grassierenden gesellschaftlichen Vorurteile keineswegs verborgen geblieben.
Curt schaffte es mit Mühe, trotz Yuris dummer Frage seine Zunge im Zaum zu halten. Für einen Augenblick hatte er erwogen, Yuri die ganze Angelegenheit so zu erklären, wie Tim Melcher sie ihm selber vor zwanzig Jahren erklärt hatte. Aber dann entschied er sich dagegen; denn als er Yuri mit kritischem Auge ins Visier nahm, war er sich auf einmal gar nicht mehr so sicher, ob der überhaupt ein richtiger Arier war.
»Einen andersrassigen Menschen zu heiraten ist eine Versündigung gegen Gott«, stellte Steve klar. »Vor allem, wenn einer der Partner weiß ist.«
»Das habe ich noch nie gehört«, bekannte Yuri. »Okay«, winkte Curt ab. »Was geschehen ist, ist geschehen. Wichtiger ist im Augenblick die Frage, was wir jetzt tun. Deine Frau weiß, daß du im Keller mit Bakterien herumhantierst, und sie weiß, daß du in der Sowjetunion in einer Biowaffenfabrik gearbeitet hast. Also kann sie sich an fünf Fingern abzählen, daß du eine Biowaffe herstellst.«
»Sie kümmert sich nicht um meine Angelegenheiten«, stellte Yuri klar. »Darauf könnt ihr Gift nehmen.«
»Aber vielleicht ändert sie plötzlich ihre Meinung«, gab Curt zu bedenken. »Das wäre sehr schlecht für uns.«
»Zum Beispiel könnte sie ihrer Familie etwas von deinem Labor erzählen«, fügte Steve hinzu.
»Sie spricht nicht mit ihrer Familie«, entgegnete Yuri. »Außer mit ihrem Bruder. Der ist der einzige, der sich für sie interessiert.«
»Stell dir vor, sie vertraut ihrem Bruder etwas Aufschlußreiches an«, fuhr Curt fort. »Wie dem auch sei – wir können das Risiko nicht eingehen. Wir hatten ja bereits darüber gesprochen, daß sie eventuell ausgemerzt werden muß. Hast du damit ein Problem?«
Yuri schüttelte den Kopf und nahm einen kräftigen Schluck Wodka.
»Okay«, faßte Curt zusammen. »Dann sind wir uns zumindest darin einig. Das Problem ist – wie machen wir’s, ohne Aufsehen zu erregen? Wenn sie einfach verschwände, würde sie ja vermutlich jemand vermissen.«
»Bei ihrer Arbeit würde man sie auf jeden Fall vermissen«, bestätigte Yuri. »Sie arbeitet in einer Taxizentrale.«
»Das Entscheidende ist, daß wir sie intelligent aus dem Weg räumen«, stellte Curt klar. »Wir dürfen auf keinen Fall die Aufmerksamkeit der Polizei erregen. Hat sie irgendein gesundheitliches Problem?«
»Von ihrer Fettsucht mal abgesehen«, fügte Steve hinzu. Yuri schüttelte den Kopf. »Sie ist kerngesund.«
»Vielleicht können wir uns ihr Übergewicht zunutze machen«, schlug Steve vor. »So fett, wie sie ist, würde sich doch keiner wundern, wenn sie eine Herzattacke bekäme.«
»Keine schlechte Idee«, entgegnete Curt. »Aber was können wir tun, damit sie einen Herzanfall bekommt?« Die drei Männer sahen sich an. Keiner hatte eine Ahnung, wie man eine Herzattacke provozierte oder vortäuschte. »Ich könnte dafür sorgen, daß sie an Lungenversagen stirbt«, schlug Yuri vor.
Curt und Steve runzelten neugierig die Stirn. »Übergewichtige Menschen sterben häufig an Atemnot oder Lungenversagen«, erklärte Yuri. »Wenn sie ins Kran kenhaus eingeliefert wird, kann ich ja behaupten, daß sie immer schon unter Asthma gelitten hat.«
»Wie würdest du das anstellen?« wollte Curt wissen. »Ich könnte ihr eine kräftige Portion von meinem Botulinustoxin verabreichen«, sinnierte Yuri. »Testen muß ich es sowieso. Warum also nicht an Connie? Dann könnte ich zudem die Dosierung checken.«
»Kämen die Ärzte denn nicht dahinter?« fragte Curt. »Nein«, erwiderte Yuri. »Sobald jemand tot ist und die Ärzte die Anfangssymptome nicht kennen, können sie unmöglich Verdacht schöpfen. Um eine Vergiftung durch Botulinustoxin überhaupt in Erwägung zu ziehen, muß man einen Anhaltspunkt haben. Schließlich gibt es jede Menge anderer Beschwerden, die Atemnot verursachen können.«
»Bist du sicher?« hakte Curt nach.
»Natürlich bin ich das«, erwiderte Yuri. »Damals in der Sowjetunion bin ich immerhin bei unzähligen Tests des Toxins dabeigewesen. Wenn man jemandem eine hohe Dosis verabreicht, hört er auf zu atmen und wird blau. Der KGB war an dem Mittel äußerst interessiert, um mit dessen Hilfe verdeckte Morde zu verüben. Wenn ich von einer hohen Dosis spreche, müßt ihr
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