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Anthrax

Anthrax

Titel: Anthrax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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ausbrach. Er mußte schlucken. Plötzlich war er verunsichert und unschlüssig. Er hatte so etwas noch nie getan.
    »Los, mach schon!« drängte Tim. »Du willst mich und dein Land doch wohl nicht enttäuschen?«
    Curt hatte nicht die Absicht, Tim zu enttäuschen. Im vergangenen Monat hatte er zum ersten Mal im Leben das Gefühl gehabt, einer Gruppe eng zueinander haltender junger Menschen anzugehören, die eine Ideologie vertraten, von der er voll und ganz überzeugt war. Diese Gruppe hatte ihm sowohl in emotionaler als auch in intellektueller Hinsicht ein neues Zuhause gegeben, und das verdankte er einzig und allein Tim. Er hielt die Luft an und drückte ab. Das Gewehr stieß zwar recht heftig zurück, aber nicht so stark, daß Curt sein Ziel aus den Augen verlor. Der Anführer ging zu Boden, als hätte ihm jemand ein Bein gestellt. Anders, als Curt es aus Kinofilmen kannte, wenn jemand abgeknallt wurde, taumelte und stolperte das Opfer überhaupt nicht. Gerade war der Mann noch gelaufen, im nächsten Augenblick fiel er mausetot um. Sein Begleiter war abrupt stehengeblieben, als der Schuß durch die karge, düstere Landschaft hallte.
    Curt spürte einen geradezu orgiastischen Adrenalinstoß. Er fühlte sich auf einmal so mächtig, daß er ohne jeden weiteren Gedanken auf den anderen Mann anlegte und abdrückte. Wieder stieß das Gewehr zurück, dann ging auch der zweite Mann zu Boden. Curt nahm das Gewehr herunter. Für ein paar Sekunden hing der Geruch von Kordit in der Luft. Dann kam eine leichte Brise auf und verwehte den Schießpulverhauch. »Na?« fragte Tim erwartungsvoll. »Beide eliminiert«, meldete Curt.
    »Gratulation!« rief Tim. Er klopfte seinem jungen Gefolgsmann auf die Schulter, griff zum Funkgerät und berichtete den anderen Teams, daß Curt und er losmarschieren und zwei erlegte Ziele beseitigen würden. Er ordnete an, auf nichts und niemanden zu schießen, bis sie wieder von ihm hörten.
    »Ich will schließlich nicht, daß diese Verrückten auf uns losballern«, erklärte er an Curt gewandt und nahm ihm das Sturmgewehr aus der Hand. Curt gab es kommentarlos ab. Tim kramte eine zusammenklappbare Schaufel und eine Spitzhacke hervor. »Komm mit!« forderte er Curt auf. »Aber halt sicherheitshalber deine Glock bereit. Womöglich hast du die Mistkerle nur mit einem Streifschuß getroffen. Dann müssen wir ihnen noch den Gnadenschuß verpassen, oder wie sagt man so schön?« Curt stolperte schweigend hinter ihm her. Nach der anfänglichen Euphorie quälten ihn jetzt Schuldgefühle. Er hatte tatsächlich auf die beiden Männer geschossen. Wie sollte er damit fertigwerden, daß er zwei Mitmenschen umgebracht hatte? Der Zustand geistiger Umnebelung, in dem er sich aufgrund seines ausgiebigen Bierkonsums befand, half ihm nicht weiter – und ebensowenig Tim, der so tat, als hätte Curt lediglich zwei lästige Fliegen totgeschlagen. »Komm schon, Soldat!« rief Tim ihm über die Schulter hinweg zu, als er merkte, daß Curt zurückblieb. Tim war mit der Taschenlampe in der Hand über das felsige Gelände vorausgelaufen.
    Curt zwang sich weiterzugehen und die Schultern zu strecken. Er wollte nicht, daß Tim seinen Gemütszustand erahnte und ihn für einen Feigling hielt. Sie brauchten fast eine halbe Stunde, bis sie die beiden Mexikaner fanden, denn sie mußten das Gelände ein paarmal kreuz und quer abgehen. Als der Strahl der Taschenlampe schließlich auf die Leichen fiel, rief Tim: »Wirklich beeindruckend! Du hast jedem von ihnen eine Kugel in den Schädel gejagt.«
    Curt betrachtete die vor ihm liegenden Körper. Außerhalb eines Bestattungsinstituts hatte er noch nie einen Toten gesehen. Auf der Stirn der beiden Männer waren jeweils nur winzige Eintrittslöcher zu erkennen, doch an ihren Hinterköpfen klafften riesige Löcher. Die ganze Umgebung war mit Hirnfetzen gesprenkelt. Der Mann, der vorangegangen war, hielt noch immer seinen Koffer fest. »Oh, mein Gott!« stöhnte Curt.
    Tims Kopf schoß herum. Er musterte seinen Rekruten mit strenger Miene. »Was ist los?«
    »Was habe ich nur getan?«
    »Du hast zwei illegale Scheißlatinos abgeknallt!« fuhr Tim ihn an. »Damit hast du deinem Land einen großen Dienst erwiesen.«
    »Oh, mein Gott!« murmelte Curt noch einmal und schüttelte den Kopf. Die Augen der beiden Mexikaner standen noch offen und starrten ihn mit leerem Blick an. Auf einmal wurden ihm die Beine weich, und er schwankte.
    reagierte sofort. Er ging auf seinen Partner zu und verpaßte

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