Anthrax
»Ihr seid Beobachtungsposten.«
»Und nach was sollen wir Ausschau halten?« fragte Kevin. »In diesem Kaff sagen sich doch Fuchs und Hase gute Nacht.«
»Nach den Bullen, du Idiot!« klärte Curt ihn auf. »Als Steve und ich den Ort ausgekundschaftet haben, haben sie hier ständig ihre Runden gedreht. Wenn wir Glück haben, kreuzen sie diesmal nicht auf – aber wenn doch, müßt ihr sie irgendwie ablenken. Laßt euch etwas einfallen, womit ihr sie auf Trab haltet. Dann können wir währenddessen in aller Ruhe den Pickup aus der Einzäunung holen und abdüsen.«
»Ich weiß nicht, was du meinst«, hakte Kevin verbissen nach.
»Macht irgendeinen Wirbel!« schlug Curt rabiat vor. »Streitet euch, oder brüllt euch an! Und wenn die Cops euch zu sehen bekommen, geht ihr ihnen ins Netz wie Fliegen einem Fliegenfänger. Sollten sie euch mit auf die Wache nehmen wollen – leistet keinen Widerstand! Aber ihr verratet wie immer kein Sterbenswörtchen über unsere Gruppe. Das Schlimmste, was euch passieren kann, ist, daß ihr eine Nacht hinter Gittern verbringt. Verlaßt euch auf mich!«
»Kapiert!« rief Nat vom Fahrersitz rüber. Kevin wollte gerade einwenden, daß er nicht die geringste Lust verspüre, die Nacht in einer Zelle zu kampieren, doch Nat verpaßte ihm eine Kopfnuß und riet ihm, das Maul zu halten.
»Nat, du meldest mir, wenn alle ihre Stellung eingenommen haben!« ordnete Curt an. »Alles klar«, entgegnete Nat und brauste los. Er war kaum zwanzig Meter gefahren, als eine Polizeistreife um die Ecke bog und auf die beiden Wagen zusteuerte. »Scheiße!« fluchte Curt. »Alle runter!« Curt und seine drei Mitfahrer rutschten tiefer in ihre Sitze. Die Scheinwerfer des Streifenwagens strahlten den Wagen an. »Genau das hatte ich befürchtet«, flüsterte Curt. Das plötzliche Auftauchen der Polizei erinnerte ihn an den Zwischenfall in der Mikrobrauerei in New Jersey, in der sie die Fermenter gestohlen hatten. Sie waren von einem Wachposten überrascht worden, der auf einmal vor ihnen gestanden hatte, als sie gerade dabei gewesen waren, die Rohrleitungen auszuhaken. Curt hatte nicht daran gedacht, Beobachtungsposten aufzustellen, so daß sie absolut nichtsahnend ertappt worden waren.
Unglücklicherweise war der Mann des Sicherheitsdienstes Afroamerikaner gewesen – was Stew Manson, der wie immer eine olympiareife Menge Bier in sich hineingeschüttet hatte, derart auf die Palme gebracht hatte, daß er den unbewaffneten Mann einen ›Nigger‹ geschimpft und ihm mit voller Wucht einen schweren Schraubenschlüssel über den Schädel gezogen hatte. Der Kopf des Mannes war zerplatzt wie ein ungekochtes Ei. Somit wurde der Einsatz mit einem Mal zu einem Vabanquespiel. Plötzlich waren sie nicht mehr Komplizen bei einem Raub, sondern zu Mittätern bei einem Mord geworden. Curt hatte sich geschworen, derartige Überraschungen bei diesem Einsatz von vornherein auszuschließen.
»Was ist mit Nat?« erkundigte sich Steve. »Keine Ahnung«, erwiderte Curt. »Ich habe ihn nicht gesehen.«
Der Streifenwagen fuhr vorbei. Curt reckte den Hals und beobachtete im Rückspiegel, ob er nicht doch noch anhielt; doch zum Glück bog er an der nächsten Ecke rechts in die Banks Street ein. Nat hatte vor der Kreuzung angehalten. Curt sah, wie die Beifahrertür geöffnet wurde und zwei Gestalten ausstiegen. Dann wurde die Tür wieder zugeschlagen, und der Wagen bog um die Ecke. Die beiden Gestalten verschwanden im Schatten.
Curt seufzte erleichtert. Vor Schreck hatte er die Luft angehalten.
»Hoffentlich heißt das, daß sie sich fürs erste nicht noch einmal hier blicken lassen«, rief Clark von der Rückbank. »Mir ist bei diesem Einsatz ziemlich mulmig zumute«, stellte Steve fest.
»Mir auch«, gestand Curt. »Aber was sollen wir machen? Wir brauchen dieses Spezialfahrzeug nun mal.«
»Wie wär’s, wenn wir die Sache auf morgen nacht verschieben?« schlug Steve vor.
»Das macht doch keinen Unterschied«, wandte Clark ein. »Außerdem haben wir Yuri den Wagen für heute nacht versprochen.«
Die vier Männer schwiegen ein paar Minuten lang. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. »Hat noch einer ein Bier?« fragte Mike schließlich.
»Es gibt kein Bier, bevor wir hier fertig sind!« donnerte Curt. Seine Rekruten konnten unglaublich infantil sein. Manchmal hatte er das Gefühl, daß sie nicht einen Funken Verstand in ihren verdammten Birnen hatten. Als Curt sich zu sorgen begann, daß bereits verdächtig viel Zeit
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