Antiheld - Thriller (German Edition)
die mal tanzten, sangen oder ihr einfach nur entgegen lächelten.
Sie wusste zwar nicht, was er mit der Stoffimitation eines Löwen vorhatte, doch kam sie seiner Bitte ungefragt nach.
»Hier ist er.« Sie hielt ihn hoch. Ihm fehlte bereits ein Auge und das einst so buschige Ende des Schwanzes war auch schon ziem lich abgenutzt.
Christian öffnete die Augen, wohl bedacht, dass seine Kleine die Tränen unmöglich übersehen konnte. »Halt ihn gut fest. Presse ihn dicht an deine Brust.«
Ihr Vater arbeitete als Anwalt. Demnach musste er ein kluger Mann sein. Nie hinterfragte sie seine Wünsche oder Bitten. Dar um nahm sie Tiger auch fest in den Arm.
Warum er aber plötzlich weinte, das war ihr schleierhaft.
»Sag, liebst du deinen Vater?«
Ruby schüttelte den Kopf. Allerdings nur der Verwirrung wegen. »Natürlich liebe ich dich.«
»Und du weißt, dass ich stets nur das beste für dich möchte!?«
»Aber ja.«
Die Hände hielt er in den Taschen des Mantels versteckt. Lä chelnd näherte er sich Ruby, die sein Lachen zögernd erwiderte. Als er unmittelbar vor ihr stand, ging er in die Hocke, um ihr in die Augen sehen zu können. Die feinen Fältchen um Mund- und Augenwinkel hatten sich in den letzten Wochen vermehrt. Er wirkte so alt, wie noch nie zuvor.
»Hast du auch Verständnis dafür, wenn ich etwa mache, dass nicht gut ist, aber dir dennoch Glück verspricht!?«
Rubys Brauen zogen sich zusammen. Ihr Vater begann ihr aber mals fremd zu werden. Wie damals, als er sie so grob am Arm ge packt hielt und er von ihrer Mutter die Ohrfeige verpasst bekam. Mit der Ausnahme, dass er im Augenblick keinen Hass zu verspü ren schien.
»Ich vertraue dir«, war das einzige, was sie herausbrachte. Die Worte, die ihr Vater hören wollte.
Er legte seine Lippen auf ihre Stirn. Diesmal kratzte es nicht. »Dein Vater liebt dich, mehr als alles andere auf der Welt, Ruby. Vergiss das bitte nie.«
Dann presste er sie fest gegen seinen Oberkörper. So sehr, dass sie bereits glaubte, keine Luft mehr zu bekommen. Erst als er sich sicher war, dass sie nichts mehr sehen konnte, zog er die Pistole aus seiner Manteltasche. Den Lauf der Waffe setzte er an Tigers Bauch an, der wiederum auf Rubys Bauch lag.
»Lebewohl, mein Liebling. Grüße bitte deine Mutter von mir.«
Dann drückte er ab.
Nachdem Christian ihren Körper aufgefangen hatte, blieb er noch eine Zeit lang sitzen. Mit dem Daumen fuhr er über das weiche Haar.
Endlich verstand Christian die wahre Bedeutung seines Traumes. Weder Zafira noch Keller oder sonst wer waren diese dunklen Gestalten, die Ruby abgeschlachtet hatten.
Er selbst war es gewesen.
Daddy, du hast mich einfach sterben lassen!
Schäm' dich, Daddy!
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26
»RUBY ruft an«, leuchtete es ihm vom Display seines Handys entgegen.
Er stand mitsamt seinem Wagen vor ihrer Schule, deren Unter richt bereits vor einer Stunde beendet wurde. Keller hasste es warten zu müssen. Gerade, wenn es sich, um sein Vergnügen han delte. Deswegen nahm er den Anruf auch mit gemischten Gefüh len entgegen.
»Ruby, wo steckst du?«, fragte er streng, jedoch ohne seine Tar nung zu verlieren. Immer noch hallte ein wenig Freundlichkeit in seiner Stimme wider.
Eine Weile blieb es still auf der anderen Leitung. Einzig ein Rauschen war zu vernehmen, was wohl bedeutete, dass sie sich nicht zu Hause, sondern irgendwo in der Öffentlichkeit befand.
»Ich warte hier schon-«
»Hier spricht nicht Ruby«, erwiderte die Männerstimme be stimmt. »Und wage es nie wieder ihren Namen in den Mund zu nehmen.«
»Oh!« Kichernd fuhr Kellers Zunge über seine Unterlippe und glitt in den Mundwinkel hinein, wo sie erst einmal verharrte. »Du bist es.«
»Du brauchst dich nicht mehr um Ruby zu kümmern. Nie wie der.«
»Ja!?« Amüsiert starrte er sein Ebenbild an, das sich im Fenster des Autos widerspiegelte. »Jedoch sollten wir Rachel davon in Kenntnis setzen. Ich meine, wir wollen doch beide nur ungern, dass sie in Sorgen verfällt.«
»Ihren Namen erwähnst du auch nie wieder.«
»Aber, aber, mein Lieber. Es ist gar nicht gut, unliebsame Ge schehnisse einfach zu verdrängen. Das kann die Psyche beein trächtigen. Das Seelenwohl.«
»Ich will dich sehen. Sofort!«
»Was denn?« Erneut kicherte Keller. »Sind wir nach dem Ableben der Frau etwa an das andere Ufer gesegelt!?«
Christian ignorierte die Aussage. Er klang wütender denn je. »Kennst du das leer stehende Hochhaus, Ecke 25.? Ich sehe dich dort auf
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