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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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seine Koffer packen und abreisen wollen. Doch Simone flehte ihn an zu bleiben, wenigstens bis die Beerdigung vorüber war. Bis klar war, wie es mit dem Hotel weiterging.
    Helmut hatte zugestimmt. Er dachte an Rosanna und daran, wie sie sich stets für Simone verantwortlich gefühlt hatte. Wie sie deren Anhänglichkeit, ja geradezu Aufdringlichkeit klaglosertragen hatte. Da war es wohl nicht zu viel verlangt, dass er für einige Wochen dasselbe aushielt. Was machte es im Übrigen für einen Unterschied, ob er seine Tage dort oder woanders verbrachte? Wo sollte er schon hin? Die Welt hatte ihren Reiz verloren.
    Als die Beerdigung vorbei war, lief der Hotelbetrieb einigermaßen weiter, doch Helmuts Abreise wurde auf unbestimmte Zeit verschoben, denn Simone war schwanger!
    Ein einziges Mal nur, in der Stunde ihrer tiefsten Not, hatten sie sich vereinigt, und aus dieser Not wurde nun ein Kind geboren.
    Helmut tat, was getan werden musste: Er bot Simone an, sie zu heiraten, obwohl sich alles in ihm dagegen sträubte. Simone nahm seinen Antrag an, doch Helmut wusste, dass sie alles andere als eine glückliche Braut war. Sie hatte stets einen Rosenkranz in der Hand, den sie hektisch knetete. Unter dem schwarzen Tuch, das sie nach Rosannas Tod für den Rest ihres Lebens trug, sah ihre Haut fahl und totenbleich aus.
    Die Ehe wurde natürlich alles andere als glücklich. Die Eheleute sprachen kaum miteinander – was hätten sie auch zu reden gehabt? Das Hotel interessierte Helmut nicht, und über Rosanna zu reden brachten beide nicht übers Herz. Man hätte meinen sollen, dass Antonia, das kleine Mädchen, die Eheleute verband, doch dem war nicht so. Simone kümmerte sich kaum um das Kind, verbrachte stattdessen lange, einsame Stunden beim Gebet. Wenn sie Antonia anschaute, dann mit einem so abweisenden Blick, als könne sie sich nicht erklären, was dieses Kind überhaupt mit ihr zu tun habe, erzählte Helmut seiner Schwester.
    Er hingegen tat sein Bestes, was Antonia anging. Nahm sie mit in das kleine Atelier, das er sich im hinteren Teil des Hofes eingerichtet hatte. Ließ sie mit Pinseln spielen, gab ihr Farben zum Malen. Doch wenn es darum ging, das Kind zu waschen und ihm zu essen zu geben, ließ er das fremde Leute tun, Sieglinde oder die Köchin Maria zum Beispiel.
    Er verbrachte immer mehr Stunden in seinem Atelier. Dort, zwischen den Farben und den bunten Bildern, konnte er sein Elend für kurze Zeit vergessen. Doch kaum verließ er seineUhrenschilder, kehrte alles um so bedrückender zu ihm zurück. Jede Ecke des »Kuckucksnests« erinnerte ihn an Rosanna und daran, wie sein Leben hätte verlaufen können.
    Helmut gestand seiner Schwester, dass er in den ersten Jahren seinen Kummer abends mit den Gästen ertränkte, die sich freuten, wenn sich der »Wirt« zu ihnen setzte. Doch im Laufe der Zeit kamen immer weniger Gäste – ohne Rosanna sei das »Kuckucksnest« nur noch halb so schön, sagten einige ganz offen. Danach trank Helmut allein. Die Einsamkeit ließ ihn halb verrückt werden.
    Eines Tages hatte er sein Elend nicht mehr ertragen und war gegangen.
    Armer Helmut! Nun fügten sich plötzlich die Teile der Geschichte zusammen …
    Fast atemlos hatte Julie der Erzählung ihres Vaters gelauscht. Jetzt fragte sie: »Und seitdem hatte Helmut nie wieder Kontakt mit seiner Frau oder seiner Tochter? Und Antonia hat auch nie versucht, ihren Vater zu erreichen?«
    Julies Vater seufzte am anderen Ende der Leitung. »Keine Ahnung. Dass Helmut Simone nicht mehr sehen wollte, kann ich ja verstehen, aber das Kind? Antonia konnte schließlich nichts für die Probleme ihrer Eltern. Andererseits hab ich nicht ernsthaft darüber nachgedacht. Ich kannte den Mann ja gar nicht …«
    Einen Moment lang schwiegen beide. Dann fügte Julies Vater hinzu: »Eins muss man jedoch sagen: Helmut hat keine arme Frau sitzen lassen! Simone war reich, sie besaß dieses riesige Hotel, das später ihre Tochter erbte. Helmut hingegen starb als armer Mann. Und nun will seine Tochter, dass das Hotel unserer Familie zufällt … Das Leben kann manchmal ganz schön verrückt sein, nicht wahr?«
    Julie seufzte zustimmend.
    Nachdem sich Julie von ihrem Vater verabschiedet hatte, fühlte sie sich aufgekratzt und zerschlagen zugleich. Am liebsten hättesie sich schlafen gelegt, doch sie ahnte, dass

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