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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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gebracht – es bot sich nie die Gelegenheit dazu. Woran habe ich nicht alles gedacht! Ein Unfall mit einer Kutsche – nicht zu bewerkstelligen. Ein fehlerhaftes Gewehr bei der Jagd – ebenfalls unmöglich. Sogar Glasscherben wollte ich ihm ins Essen tun. Aber das wäre bestimmt aufgefallen.
    Und dann … in jener Nacht, als Helmut mir von seinen Heiratsplänen erzählte und ich in den Garten gerannt war und Gott um Hilfe anflehte, stand plötzlich dieses Blümlein mit seinem mit Gift gefüllten Kelch vor mir. Eine Herbstzeitlose. Hätte ich dieses Zeichen ignorieren sollen? Gottes Zeichen?
    Fünf Samen davon sind tödlich – hat er mir mit der Stimme meiner Mutter ins Ohr geflüstert. Und ich war Gott so unendlich dankbar!
    Ich konnte doch nicht wissen, dass es Rosanna sein würde, die in jener Nacht den Kuchenteller leer aß! Das hat sie noch nie getan. Wo war Gott bloß in dieser Nacht?
    Â»Du und dein lieber Gott – der kennt uns doch gar nicht!«, hat Rosanna immer gesagt. Hatte sie damit am Ende Recht?
    Ich weiß, ich werde die Antwort finden, wenn ich in der Hölle schmore, dort, wo Gottes Zorn mich hinschicken wird, nachdem ich diese Zeilen zu Ende geschrieben habe. Eine Todsünde werde ich begehen – aber was macht das noch aus? Wo eine ist, kann auch eine zweite sein.
    Es wäre nur rechtens, wenn ich auf dieselbe qualvolle Art sterben müsste wie mein geliebter Engel. Draußen auf den Wiesen stehen noch genügend von den blasslila Blumen … Aber nicht einmal dazu reicht mein Mut. Und um Vergebung bitten – das darf ich nicht.
    Aber ich habe doch etwas tun müssen, oder nicht?
    Simone Breuer, am 31. Oktober im Jahr 1919

    Der letzte Dezembertag war kalt und trocken. Eine schwache Vormittagssonne schien, während die Menschen überall in der Stadt letzte hektische Vorkehrungen für die Silvesterfeiern trafen. Auf den Parkplätzen der Supermärkte wurden Körbe voller Leckereien in die Autos gehievt. Väter mit aufgeregten Kindern an der einen und riesigen Paketen mit Feuerwerkskörpern in der anderen Hand schoben sich durch die Fußgängerzone. In den Schneidereien standen die Kunden Schlange, um in letzter Minute zu eng gewordene Abendroben und Fräcke ändern zu lassen. Auch die Frisöre hatten viel zu tun. Und aus den Bäckereien wehte der Duft von frisch gebackenen Berlinern und Neujahrsbrezeln.
    Leicht befremdet betrachtete Julie das Gewimmel, während sie ihren Wagen im Schritttempo durch Freiburg steuerte. Genauso gut hätte sie in einem Raumschiff sitzen und von einem anderen Planeten kommen können. Ein Frisörbesuch? Nicht nötig. Ein Abendkleid? Noch viel weniger. Sie hatte ihre Haare zu einem schlichten Zopf geflochten, dazu trug sie Jeans und Pullover. Silvesterkracher? Julies Blick fiel auf die Aktentasche, die auf dem Beifahrersitz lag. Darin befand sich ihr Bericht, die Arbeit von drei Monaten. Säuberlich ausgedruckt und im Copy-Shop mit einem eleganten dunkelgrünen Einband versehen, auf den sie ein Foto von Rosanna und Simone hatte drucken lassen.
    Das, was sie Antonia mitzubringen hatte, würde ein Kracher der ganz besonderen Art werden.
    Noch immer holte sie der Schrecken ein, wenn sie an jeneletzte Nacht im Oktober dachte, als sie in einem Stapel belangloser Briefe Simones Geständnis gefunden hatte. Plötzlich hatte sie es schwarz auf weiß vor sich gehabt: Rosanna war keines natürlichen Todes gestorben! Dies nur zu ahnen oder es dann sicher zu wissen war ein riesiger Unterschied.
    Trotzdem hatte Julie in den letzten beiden Monaten ein wenig Abstand gewonnen. Auch wenn viele Fragen für immer unbeantwortet bleiben mussten, auch wenn vieles von dem, was sie für Antonia aufgeschrieben hatte, nicht mehr war als eine Mutmaßung, war es ihr doch gelungen, Rosannas rätselhaften Tod aufzuklären. Durch einen Zufall, gewiss, aber was machte das für einen Unterschied? Es käme häufig vor, dass ein schlichter Zufall nach langen und peniblen Recherchen zum Erfolg führte, hatte Jan Bogner ihr erklärt.
    Jan Bogner. Julie lächelte. Seit sie aus Rombach zurück war, hatten sie mehrmals telefoniert und sich einmal auch getroffen. Die Gespräche mit ihm waren Julie sehr wichtig. Er hatte ihr auch klar gemacht, dass sie nun wieder ihr eigenes Leben leben müsse. Und Julie hatte ihm Recht gegeben. Jan Bogner

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